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Zur Technikanthropologie «objektiver Bilder» im 17. Jahrhundert

Mechanical Hand and Artificial Eye: On the Techno-Anthropology of «Images of Objectivity» in the 17th Century. The ineluctable handedness of drawing ― the obstinacy of personal style as well as manual deficiencies ― seems to prevent the possibility of perfect mimetic images of nature. Nevertheless the idea of iconic objectivity emerged long before photography and other techniques could release the hand from the process of picturing. Starting with programmatic statements on empirical observation and depiction from Robert Hooke’s Micrographia (1665) this paper focuses on the epistemic promises of technical devices and optical instruments in early modern literature of art and science. It will be argued that these projects of mechanization of human vision and drawing lead to a new concept of the image as a credible empirical implement.

Ob und auf welche Weise der Mensch imstande ist, in seinen sinnlichen Wahrnehmungen und deren Mitteilungen die Hemmnisse und Bedingtheit seiner Subjektivität zu erkennen und zu überwinden, um verlässliches Wissen über die Welt zu gewinnen, wurde unter den wechselnden Vorzeichen von Skepsis und Optimismus unterschiedlich reflektiert. Entlang dieser anthropologischen Konjunkturen entwickelten sich epistemologische Konzepte, die die jeweils als besonders akut empfundenen Defizite der menschlichen Sinne und der zwischenmenschlichen Kommunikation zu analysieren und ihnen methodisch beizukommen suchten. Mit der Entstehung einer systematisch-empirischen Naturforschung in der Frühen Neuzeit kam dem Bild eine zunehmend wichtigere Rolle in der Genese, Speicherung und Vermittlung von Wissen zu.

Für die nach Naturerkenntnis strebenden Wissenschaften hat die Historikerin Lorraine Daston zwei grundlegende «epistemische Tugenden» ― «Wahrheit» und «Objektivität» ― unterschieden, denen zwei Arten von Bildern entsprächen: «Bilder der Wahrheit» stellen gleichsam Synthesen der Empirie dar, ihre Bildgegenstände sind auf die für wesentlich oder typisch erachteten Merkmale reduziert, während akzidentielle oder irreguläre Elemente eines bestimmten Gegenstandes eliminiert sind. [1] In illustrierten naturhistorischen Publikationen der Frühen Neuzeit ― etwa in Werken zur Humananatomie oder in Tier- und Pflanzenbüchern ― dominiert dieser Bildtypus. [2] Im Gegensatz dazu stellen «Bilder der Objektivität» konkrete Gegenstände in ihrer jeweils besonderen Erscheinung dar. Das wesentliche Merkmal dieser Bilder ist, dass in ihrem Entstehungsprozess «der Wissenschaftler oder Künstler so wenig wie möglich» eingreift, weswegen, so Daston, diese Bildsorte erst mit den Techniken wie Naturselbstdruck und Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sei. [3]

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