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[1]

Vgl. Siegfried Kracauer, Theorie des Films. Die Errettung der äusseren Wirklichkeit, Frankfurt a. M. 1985.

 

Zur Sexualität in Spielfilmen über die Börse

In this article, Dirk Verdicchio addresses the display of sexuality in cinematic movies on finance. He argues that the display of sexuality can be seen as a representation of the financial economy and asks how finance is perceived when it is envisioned by means of sexuality. Referring to George Bataille’s concepts of economy, heterogeneity, and erotics he argues that the display of sexuality in these films endangers conventional, bourgeois ideals and values – in Bataille’s terms: the financial economy threatens social homogeneity because of an inherent heterogeneity of the stock exchange. According to the analyzed movies, the financial economy is not only the site where the rationality of the economy appears in its purest form, but also the site where this principle collapses and turns into its opposite.

Unsichtbarkeit und Abstraktheit finanzökonomischer Prozesse stellen für Spielfilme eine besondere Herausforderung dar. Erstere steht der grundlegenden Eigenschaft photographischer Medien entgegen, die materielle Oberfläche von Objekten aufzuzeichnen und wiederzugeben. [1] Da die Finanzwirtschaft im Wesentlichen eine immaterielle Ökonomie darstellt, sind Filme darauf angewiesen, sicht- und photographierbare Substitute zur Visualisierung der Finanzökonomie zu schaffen. Die Abstraktheit der Finanzökonomie ist dagegen vor allem eine narrative Herausforderung für Spielfilme. Insofern diese meist für ein Publikum produziert werden, das über kein oder nur wenig Expertenwissen von finanzökonomischen Prozessen verfügt, müssen deren Operationen in populäre Erzählungen übersetzt werden, die eine hohe Anschlussfähigkeit besitzen. Versucht man einen Überblick darüber zu erlangen, wie Spielfilme mit diesen Herausforderungen umgehen, wird man an Robert Warshows Beobachtung erinnert, dass Spielfilme, wenn sie dem gleichen Genre zugeordnet werden können oder sich mit ähnlichen Themen befassen, die Tendenz aufweisen, dramatische Muster zu wiederholen – insbesondere wenn diese Muster mit Profiterwartungen verbunden werden können. [2]

Eines dieser sich wiederholenden Elemente sind Szenen, in denen es um bestimmte Formen sexueller Aktivitäten geht und diese entsprechend bebildern. Sexuelle Motive finden sich in den Filmen über die Finanzökonomie so häufig, dass man diese zum konventionellen Repertoire der Filme zählen kann. Dabei handelt es sich um spezifische Ausprägungen der Sexualität, die ich hier als Formen sexueller Zirkulation und Prostitution charakterisieren möchte – wobei mit Zirkulation der Austausch von Sexualpartnern zwischen verschiedenen finanzökonomischen Akteuren gemeint ist.

Ausgabe 05 | Seite 63  >>