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Die Ideologie der Appropriate-Technology wurde durch die diffuse Gemengelage der Counterculture-Strömungen mit teils ökologischen, teils technikkritischen, aber auch friedensaktivistischen Ansätzen schon länger vorbereitet und fand Anfang der 1970er Eingang in die ökonomische Theoriebildung. [24] Im Zuge der verschärften wirtschaftlichen Situation der Post-Vietnam-Ära mit der ersten grossen Ölkrise (1973) und öffentlicher Kritik an umfangreich subventionierten Technologieprojekten geriet auch die NASA unter wachsenden Legitimationsdruck. Und spätestens nach massiven Etatkürzungen 1974/75 setzte eine kritische Selbstüberprüfung der Behörde ein. [25] Es ist kein Zufall, dass sich die NASA in dieser Phase nicht nur auf ihre Kompetenzen in der Wetterbeobachtung besann, sondern auch neue Forschungsfelder wie den Klimawandel und die Untersuchung der Ozonschichten für sich reklamierte. In diesem Zusammenhang avancierten auch bislang marginalisierte Nutztechnologien, wie die bereits in den 60er Jahren durch Harry Wexler entwickelten TIROS Wettersatelliten, zum Kern eines neuen Atmospheric-Science-Programms. [26]

Schon acht Jahre nach der Aneignung der NASA-Fotografien des Erdballs durch die Counterculture lässt sich unter dem öffentlichen und politischen Druck auch bei der NASA ein Wandel des Sehens konstatieren: Nach der Mondlandung suchte ihr Blick nach einem neuen Halt und fand diesen paradoxer Weise in genau jenen Bildern, die sie selbst so beiläufig im Zuge der Mondmissionen aufgenommen hatte. Gleichzeitig mit dem politisch induzierten Paradigmenwechsel hin zu einer stärker nutztechnologischen Denkweise, lässt sich auch innerhalb der NASA eine Neuorientierung des Blicks auf die Erde beobachten.

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