>>
[10]

Richard Buckminster Fuller, Operating Manual for Spaceship Earth, Carbondale 1968.

[13]

John McCormick, The Global Environmental Movement, London 1992.

[14]

Zu berücksichtigen ist hier auch die weltweite Angst vor einem Atomkrieg, die die Kuba-Krise 1962 auslöste.

 

Der konkrete Wunsch nach Bildern der Erde artikulierte sich in den Naturwissenschaften mindestens seit der zweiten Hälfte der 50er Jahre und somit lange vor der legendären ‹Button-Aktion› des Standfort-Studenten Stewart Brand im Frühjahr 1966. Brand seinerseits war bestens vertraut sowohl mit dem Denken Richard Buckminster Fullers, der die Idee des intelligenten Designs und kybernetische Modelle der Erde popularisierte, [10]  sowie den Schriften der frühen Wachstumskritikerin Barbara Ward. [11] Brand sass im Februar 1966 – so die vom Verdacht der Selbstmythologisierung nicht ganz gefeite Erzählung – auf einem Hausdach in San Francisco und wälzte im Kopf die Bemerkung Fullers, dass die Wurzel des menschlichen Ressourcenraubbaus zurückzuführen sei auf die Wahrnehmung der Erde als unendliche Fläche. Dass Brand zugleich die Vision der zu einem Kreis gekrümmten Skyline der Stadt vor Augen hatte, liegt am Basler Beitrag an die kalifornische Counterculture: Lysergsäurediethylamid. [12]

Brand lancierte in den Wochen darauf Buttons mit der Aufschrift «Why haven’t we seen a photograph of the whole Earth yet?». Die Reichweite der Kampagne war genau so gross, wie ihr unmittelbarer Einfluss auf die Entscheidungsträger bei der NASA zugleich diffus bleibt. Ihr Schwerpunkt lag in Kalifornien, einer wichtigen Drehscheibe für Raumfahrttechnologie und -wissenschaft, griff aber weit darüber hinaus, bis nach Harvard an der Ostküste; auch US-amerikanische, angeblich sogar sowjetische Politiker erhielten Post von Brand. Die Kampagne geht der Realisierung der ersten vollautomatischen Schwarzweiß-Fotografie eines Erdaufgangs über dem Mond (Lunar Orbiter 1) nur um wenige Monate voraus. Sie nimmt in ihrem Verlangen eine Bildidee vorweg, deren technische Realisation längst möglich war, vor dem Hintergrund der engen politischen Zielvorgabe Mond bislang aber nicht in Betracht gezogen wurde. Zweifelsohne muss der Wunsch nach einem fotografischen Bild der ganzen Erde auch im Kontext damals zirkulierender Diskurse von geschlossenen Systemen in Kybernetik und Ökologie betrachtet werden.

Solche Konzepte antizipierten Bilder ‹des Ganzen› imaginativ. Es waren Stimmen, die sich vor dem Hintergrund eines Gleichgewichtdenkens artikulierten und den Auswirkungen des grenzenlos anmutenden Wirtschaftsbooms auf Mensch und Umwelt nachgingen. [13] Die diskursive Fragmentierung des Globus in ideologische Ost-West-Blöcke und in eine ökonomische Nord-Süd-Asymmetrie ging einher mit globalen Argumentationshorizonten und der Menschheit als planetarischer Schicksalsgemeinschaft. [14] Die Abschlussrede Adlai E. Stevensons, US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, zum Economic and Social Council 1965 in Genf, mag paradigmatisch hierfür stehen:

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