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The Last Whole Earth Catalogue (keineswegs der letzte) erschien 1971 bei Penguin und erreichte eine Millionenauflage: auf dem Titel die Fotografie einer Sichel-Erde. [17] Diese Publikationen hatten wesentlichen Anteil an der Popularisierung von technikaffinem Systemdenken und an der Sensibilisierung für ‹ganzheitliche›, spirituelle Lebensführung zugleich. Der technikkritische Impetus lag eher auf der Ebene des persönlichen Life-Styles. Die in den Katalogen enthaltenen Anregungen und nützlichen Items sollten der Selbstermächtigung des Individuums dienen und es dazu anregen, seine Bildung, Inspiration und Lebensweltgestaltung selbst in die Hand zu nehmen. Darunter fielen nicht nur Dinge wie Schuhe oder Werkzeug, sondern auch die Publikationsform des Community Newsletter (mit Titeln wie z.B. Green Revolution) und vor allem Bücher. Die Heterogenität des Kataloginhaltes wird zusammengehalten durch den Umschlag: ein neues Bild der Erde, vielfach beschworen als Anfang einer neuen Ära der Geschichte, das den Wandel des Sehens einen Perspektivwechsel in einer breiten kulturellen Strömung markiert. [18]

Dass dieser Bildtypus eine zentrale Funktion in der Neuordnung des Wissens über den Planeten und die Rolle des Individuums ‹im Grossen und Ganzen› einnahm, wird auch in der Ikonographie der Earth Day-Bewegung deutlich. Unabhängig voneinander fand dieser 1970 zwei Mal statt. John McConnell, Initiator des ersten Earth Days im März in San Francisco, las die erwähnte Life Ausgabe von Januar 1969 (siehe oben). Obwohl sich der Friedensaktivist bereits 1967 mit dem Gedanken eines solchen Events trug, entschloss er sich erst jetzt, ihn auch umzusetzen. Er gestaltete die Earth Day-Flagge, deren erste Version aus einer zweifarbigen Siebdruck-Reproduktion jener Fotografie auf der Life-Titelseite bestand. Am zweiten Earth Day – der im April 1970 stattfand und dessen Organisatoren unabhängig von McConnell agierten – nahmen dann landesweit 20 Millionen Menschen an Teach-ins und Kundgebungen teil. [19] McConnells Flagge, verkauft und popularisiert durch den Whole Earth Catalogue, etablierte sich damit als Symbol einer Massenbewegung (Abb. 6).

Die mediale Präsenz des Globus als Fotografie erfuhr in der Frühphase der ökologischen Bewegung eine bemerkenswerte Aneignungsdynamik. Immerhin handelte es sich um die bis dato ressourcenintensivsten Bilder, die jemals hergestellt wurden. [20] Die Interpretation und repräsentationale Einordnung der Fotografien orientierte sich nicht in erster Linie am technischen Dispositiv ihrer Produktion. Vielmehr stand die ikonische Präsenz des Bildes im Vordergrund: das feine Atmosphären-Schimmern, die flüchtigen Wolkenstrukturen und das referenzlose Dunkel um die helle Kugel.

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