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Vielleicht keinen Ort. Kein Nadelöhr. Keine Gebrauchsanweisung. Aber ein methodologischer Versuch, der nicht einer Disziplin exklusiv zugehört. Ein Grenzgang, der intrinsisch verbunden scheint mit dem Untersuchungsgegenstand «Bild»: Aporie. Ein fremdes Wort. Ein Wort, auf das man, auch bei genauer Kenntnis der ausufernden Bilddebatten, nicht leicht stösst. Und dennoch markiert die Aporie als organon die für jede wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Bildern ebenso grundlegende wie frustrierende Erfahrung: da ist die Weglosigkeit des Wortes, weil kein Bild sich jemals auf den ‹Begriff› bringen lassen wird. Diese Erfahrung muss uns anders sprechen machen – dieses andere Sprechen von und vor Bildern, die daran geknüpften Unwegsamkeiten produktiv zu machen, ist für uns der Anfang der Bildkritik – ein Anfang im Zeichen der Aporie.

In Bildern gibt es immer mehr zu sehen als ‹zu sehen ist› und ebenso mehr als jemals gesagt werden kann. Die Krise des Anfangs kann daher nicht überwunden werden: Bilder haben ihren Anfang nicht allein im Akt ihrer Materialisierung. Dieselben Bilder können zu immer neuen Betrachtungen, zu neuen Überlegungen und Erfahrungen herausfordern. Damit sind wir vor einem Bild in gewisser Weise auch jedes Mal wie zuerst, das erste Mal [1] vor diesem Bild, weil anderes gesehen, gesagt, empfunden werden kann. Um diese Prekarität zu wissen, sie offenzulegen und nicht zu verschleiern, mit ihr umzugehen und auf ihre Vielseitigkeit hinzuweisen, dreht sich das Vorhaben dieser Ausgabe. Anfang und Aporie fallen zusammen in einer «Situation, da der Unwissende seiner Unwissenheit inne wird» [2].

Für Aristoteles steht am Anfang jeder Wissenschaft die Aporie als Kartographierung des wissenschaftlichen Feldes. Nur indem man den Unwegsamkeiten dieses Feldes gewahr wird, ist eine Orientierung des Denkens möglich. [3] Die aristotelische Aporie forciert eine Perspektivierung des wissenschaftlichen Feldes von innen heraus. Das Abschreiten bildet für Aristoteles gleichsam die Voraussetzung dafür, überhaupt guten Weg finden zu können, d.h. wissenschaftlich Erkenntnis zu gewinnen. Wenn die Krise des Anfangs in der Auseinandersetzung mit Bildern aber nicht überwunden werden kann, dann ist der Prozess der Kartographierung unabschliessbar. Eine Kenntnis aller Unwegsamkeiten entzieht sich.

Das aporetische Denken suspendiert die Frage in der Form von «Was ist X?» zugunsten einer relationalen Fragestellung: «Ist X dies, nämlich Y, oder nicht?». [4] Damit wird der untersuchte Gegenstand nicht direkt in den Blick genommen, sondern in den Formen seiner Vermittlung.

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