Ebd. S. 42.
Bernhard Waldenfels, Das sokratische Fragen. Aporie, Elenchos, Anamnesis, Meisenheim 1961, S. 15.
Siehe für eine genauere Bestimmung dieser Produktivität S. 5 dieses Textes.
Ebd. S. 12f.
Kant, Kritik der reinen Vernunft, B XXIV.
Das aporetische Vorgehen ist «kein Besitz von Wissen, sondern ein immer neues reflektierendes Untersuchen» [5]. Folglich ist das Erkennen nicht mehr auf ein klares Ziel gerichtet, sondern lässt sich «seinem Wesen nach als ein Suchen bestimmen» [6]. Ziel der aporetischen Unternehmung ist nicht die Synthetisierung der Unwegsamkeiten, sondern die innerhalb der Aporie aufbrechenden Übergänge, Spannungen und Widersprüche produktiv zu nutzen, d. h. «das Dilemma aushalten zu können» [7]. Die Aporie des Anfangs will nicht aufgelöst sein. [8]
Dem epistemologischen Fragehorizont der Aporie ist die Frage nach ihren Beziehungen, in aristotelischer Wendung pros ti, gewissermassen inhärent: Das Erkenntnisinteresse richtet sich auf den in seinen Beziehungen vermittelten Gegenstand und generiert so verschiedene Zugänge (denn die Frage «Ist X dies, nämlich Y, oder nicht?» könnte ja ebenso lauten: «Ist X dies, nämlich Z, oder nicht?»). Aporie kann also als Pluralisierung von Perspektiven verstanden werden, wohingegen Kritik verschiedene Perspektiven unterscheidet und ordnet. [9] Im Anschluss an die aporetische Situation des Anfangs sollen Fragen zum Bild in der vorliegenden ersten Ausgabe von Rheinsprung 11 nicht beantwortet werden. Welche Wege bleiben, wenn eine Untersuchung so angelegt ist, dass sich am Ende die Fragen nicht erledigt haben, sondern nur umso drängender stellen werden?
Jede kritische Tätigkeit ist zu allererst eine Differenzierungsbewegung, die die Grenzen ihres Gegenstandsbereichs im Rahmen [10] seiner Vermittlung auszuloten versucht, wobei sich das jeweilige diskursive Feld erst in der kritischen Auseinandersetzung entfaltet. In Anschluss an Kant kann der Begriff der Kritik hier in einer ersten Annäherung als Abgrenzung zum thetischen Charakter der Doktrin verstanden werden. Dabei dient die kritische Auseinandersetzung als ein organon des Erkundens und Ordnens der verschiedenen bestehenden Perspektiven, «in welche[m] ein jedes Glied, wie in einem organisierten Körper, um aller anderen und alle um eines willen dasind, und kein Prinzip mit Sicherheit in einer Beziehung genommen werden kann, ohne es zugleich in der durchgängigen Beziehung […] untersucht zu haben» [11].
Die Dynamik, die sich bei Kant ankündigt, erfährt bei Foucault eine explizite Verschiebung: Kritik bewegt sich in einem Kausalnetz, in dem es keine Rückführung auf einen einzigen Ursprung, eine einzige Ursache oder eine unabdingbare Notwendigkeit gibt.