Judith Butler, Was ist Kritik. Ein Essay über Foucaults Tugend, S. 10.
Siehe Anm. 8.
Ebd., S. 8.
Damit sucht Kritik nicht nach einer Thematisierung des einen Gegenstandes, der zur Begründung des Zusammenhangs des Kausalnetzes herangezogen wird; vielmehr richtet sich die kritische Untersuchung auf einen Gegenstand in seinem Zusammenhang mit sowie seiner Abgrenzung von anderen Gegenständen, [12] in seiner Vermittlung. Der Gegenstand der kritischen Untersuchung muss innerhalb seines Kontextes und seiner Beziehungen in seiner Singularität gewahrt bleiben. Gleichzeitig muss diese Singularität als spezifischer Effekt in und aus diesem Netz betrachtet werden. Dadurch wird sowohl der strukturelle Zusammenhang der Singularität erhalten als auch ihre Individualität, indem sie nicht durch einen anderen Effekt zu suspendieren ist. [13] Das Feld der kritischen Untersuchungen ist in seinen vielschichtigen Zusammenhängen keinesfalls determiniert, sondern zeichnet sich durch eine konstitutive Offenheit aus, der der kritische Diskurs nachkommen muss. [14]
Judith Butler versteht die Geste der Kritik in Anschluss an Foucault als «Risikobereitschaft an der Grenze des epistemologischen Feldes» [15]. Kritik ist also niemals ein rein distanziertes Unterfangen, das unabhängig vom Gegenstand seiner Betrachtung ist. Denn um sich überhaupt kritisch absetzen zu können, bedarf es, wie bereits erwähnt, der Rahmung des Diskurses [16], also der Eingelassenheit in kontextuelle Zusammenhänge, festgesetzte Systeme und normative Ordnungen. Damit ist die Kritik keine Metaperspektive, sondern eine Erkundung des diskursiven Feldes von innen heraus, die auf die interne Offenheit, auf die Prekarität der Ordnung hinweist, ohne sich aber von dieser gänzlich befreien zu können. Die Kritik kann dementsprechend als Aufzeigen und Befragen von Grenzen, die sich nur innerhalb eines Systems anzeigen, verstanden werden: «Grenzen, die eine bestimmte Nötigung ausüben, ohne in irgendeiner Notwendigkeit begründet zu sein; Grenzen, die nur betreten oder befragt werden können, wenn eine gewisse Sicherheit innerhalb einer vorhandenen Ontologie aufs Spiel gesetzt wird» [17].
Das Aufs-Spiel-Setzen des vermeintlich Selbstverständlichen in der kritischen Auseinandersetzung bedeutet gleichsam ein krisenhaftes Moment. Wobei hier nicht gemeint ist, dass dieses krisenhafte Moment auf die Kritik folgt. Vielmehr antwortet die Kritik auf den Umstand, dass es Krise gibt. Die Krise geht mit der kritischen Untersuchung des Gegenstandes einher, indem sie die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Unabgeschlossenheit des diskursiven Feldes und dem Gegenstand selbst als Moment der Fragwürdigkeit markiert.