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Kritik wird v. a. dann gebraucht, wenn in Anbetracht eines Gegenstandes der bestehende Diskurs in die Krise gerät. Bilder sind Orte der Krise eines sie vereinheitlichenden Diskurses, wenn ernst genommen wird, dass, was es zu sehen gibt, das übersteigt, was in actu gesehen, gesagt oder gewusst wird, d. h. wenn das Sehen sich nicht einfach und nicht restlos in das bereits Gewusste überführen lässt und es somit durchbricht.

«Es geht einzig darum, den Blick auf ein Paradox zu richten, auf einen Art unwissende Unwissenheit, zu der uns die Bilder zwingen […]; es muss präzisiert und noch einmal gesagt werden, dass diese Wahl als solche zwingend ist und dass es überhaupt nicht darum geht, einen Teil zu wählen, zu entscheiden: Wissen oder aber Sehen, das wäre bloss das ausschliessende Oder – , sondern das Dilemma aushalten zu können, zwischen Wissen und Sehen, zwischen etwas Wissen und jedenfalls nichts anderes sehen, aber jedenfalls etwas sehen und nichts anderes wissen…». [18]

Von Bildern spricht man, wenn es mehr zu sehen gibt als „zu sehen ist“. Dieses mehr Sehen zeigt sich bereits in der Vielfalt der möglichen Auslegungen eines Bildes. Wie Philipp Stoellger in seinem Beitrag zu unserem Themenschwerpunkt schreibt: «Gelingende Interpretation ist Antwort auf den Anspruch des Bildes, in dem zu sagen versucht wird, was sich ‹einem› zeigt – und indem im Sagen versucht wird, das besagte Bild sich zeigen zu lassen und mehr zu zeigen, als immer schon gedacht oder gesehen wurde.» Damit bleibt das Nach-Worten-Suchen in Anbetracht eines Bildes ein nicht abzuschliessendes Unternehmen.

Bilder sind dieser Möglichkeit ihrer verschiedenen Interpretationen dabei nicht enthoben: «Das Bild ist so wenig unschuldig oder unmittelbar wie das Auge, sondern mit Kontexten des Denkens, des Geschlechtes, der Kultur, der Ideologie, der Rede vielfältig verknüpft.» [19]

Bildkritik bewegt sich in einem diskursiven Feld, das zudem die Singularität seines Gegenstandes bewahren muss und daraus folgend aber nicht mit dem einen Bild, sondern mit einem Plural des Bildes als eines Bildes unter anderen konfrontiert ist. Das diskursive Feld der Bildkritik steht darüber hinaus immer in einem permanenten Spannungsverhältnis zu seinem Gegenstand, da die ‹ikonische Logik› der Bilder nicht vollständig auf den Begriff zu bringen ist. Das Scheitern, das Bild mit Worten zu erfassen, ist produktiv, sofern jenes unablässige Suchen nach Worten – die Pluralisierung der Rede – den Bruch zwischen Sehen und Wissen epistemologisch zu nutzen versucht.

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