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Die alttestamentliche Vorstellung von der Menschengestaltigkeit Gottes bewahrt ihr aporetisches Moment – zwischen Nah- und Unnahbarkeit des menschengestaltigen Gottes, das durch eine moderne Reduzierung auf eine rein visuelle Kategorie verloren ginge.

In Iris Därmanns Beitrag «Gaben, Bilder» werden Bilder mit Rückgriff auf das Phänomen der Gabe zur Sprache gebracht. Die Gabe des Bildes steht dabei am Anfang und vor jedem Diskurs: Es gibt Bilder. Die Gabe des Todes wiederum, die mit einem in verschiedenen Zusammenhängen auftauchenden Bildbegriff in Verbindung steht, der den frühen Totenkult – Bilder als Grabbeigaben sowie als Erinnerung an die Toten – bis zur Photographie umfasst, verweist auf das komplexe Wechselverhältnis von Anfang und Ende, dem der Text implizit nachgeht.

Die interdisziplinäre Perspektive der Bildkritik und die ihr zugrunde liegende Dringlichkeit, aufgrund der Ausweglosigkeiten eines exklusiven Zugangs, weitere Wege für das eigene Vorankommen zu Rate zu ziehen, finden in Michael Renners und Ulrich Richtmeyers Beiträgen eine besondere Würdigung. Hier wird die Anschlussstelle theoretischer Fragen zu praktischen Untersuchungen und experimentellen Settings thematisiert. Michael Renner zeigt, wie Überlegungen zum impliziten Wissen in der Bildproduktion mit bildherstellenden Verfahren in einen produktiven Dialog gebracht werden können. Weder Theorie noch Praxis beanspruchen in diesem Gespräch einen unbedingten Vorrang und beziehen sich damit auf die geteilte, disziplinenübergreifende Perspektive.

Ulrich Richtmeyer weist in einer anderen Weise auf die Unumgänglichkeit eines Dialogs von Theorie des Bildes und praktischem Umgang mit dem Bild hin. In kulturgeschichtlicher Hinsicht setzt er sich mit dem Verfahren der Kompositphotographie auseinander, um dieses dann ebenfalls in einem experimentellen Rahmen nachzuvollziehen. Das Verfahren der Kompositphotographie als bildliches Synthese-Verfahren ist von Beginn an aporetisch: Durch die Bildsummation, die nicht zwischen verschiedenen Arten von Bildmerkmalen – rein pictorial oder konfigurativ – unterscheidet, ist dem Kompositbild immer auch eine Gegenstrebigkeit inhärent. Ulrich Richtmeyer zeigt, wie Wittgenstein die Aporien des Kompositbildes in eine Kritik an Methoden der Verallgemeinerung – in diesem Fall der bildlichen – überführt und dem eine Pluralität von Bildern und Bildkonstruktionen entgegensetzt.

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