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Der Künstler muss reflektieren und begreifen, was er tut und will – und der Rezipient ist auf entsprechende Diskurse angewiesen, auf Kenntnisse, die es ihm erst ermöglichen, im Horizont des Kunstbegriffs oder der Kunstdiskurse reflektiert wahrzunehmen. Schlicht gesagt: Die Lexis der Diskurse dominiert die Deixis der Kunst. Das Gesagte dominiert das Zeigen und Gezeigte. Die leitende Frage im Zeichen des Begriffs ist: Was ist das, wie ist es zu begreifen, wie lässt es sich auf den Begriff bringen – oder es wenigstens verstehen?

Dagegen wäre wenig einzuwenden, wenn denn nicht das Verstehen seltsam unduldsam wäre. Was sich ihm nicht fügt, was ihm widersteht und Probleme macht, reizt das Verstehen, gelegentlich bis aufs Blut. Die ‹Wut des Verstehens› kann dann dazu führen, dass Verstehen nicht immer gewaltfrei bleibt. Es wird bedrängend, wenn es nicht an sein Ziel kommt. Wie sich die Kunst dem Zugriff des Verstehens entzieht, wird dann zur Frage. Und wie die Kunst als ‹hermeneutische Entzugserscheinung› das Verstehen schwitzen und zittern lässt – wenn sie sich ihm nicht fügt. Was, wenn die Kunst sich nicht ‹eigentlich› ans Verstehen richtet und daher dem Verstehen unzugänglich zu sein suchte? Das Opake widersetzt sich der Transparenz des Verstehens – und es mit Transparenz zu umgeben oder in ‹transparenter› Rede zu paraphrasieren, wäre so sinnvoll wie widersinnig. Es träfe nicht mehr, was es zu ‹besprechen› versucht.

Was dann? Was, wenn die Frage nach Sinn und Bedeutung prekär wird und das so befragte Ding (das Werk oder was auch immer) nicht auf die hermeneutische Frage antwortet? Dann hilft wohl nur, anders zu fragen, zurückhaltender, etwa: Was soll das? Begriff und Verstehen sind dann seltsam hilflos. Ich weiss nicht, was soll es bedeuten. Dem Betrachter können die Worte fehlen – und gelegentlich ist das auch gut so. Denn ‹vor einem Bild› geht es vor allem um die Wahrnehmung. Wenn die von vornherein durch Begriff, Vorverständnis und Erwartungen bestimmt wäre – wäre sie auch eben dadurch mehr oder minder begrenzt. Als ginge es um die Erfüllung von Begriff und Erwartung und um die Bestätigung des Vorverständnisses. Wenn Kunst dagegen eine Chance haben will, muss sie Widerstand leisten, etwa indem sie sich den Erwartungen entzieht. Solch eine Sprachlosigkeit kann produktiv und anregend sein, wenn sie denn in die Suche nach eigenen Worten führte, um noch sagen zu können, was man sieht und was man nicht versteht. Das selber verantwortete Sagen, mit mühsam zu findenden eigenen Worten, wäre schon viel.

b) Das Problem des Sprechens vor und von Bildern – erst recht des theoretischen Sprechens – ist daher ein Sprachproblem. Und mit solchem ist die Theologie nur zu vertraut:

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