Die Macht des Bildes und die Macht der Sprache bzw. die Macht der Deixis und die Macht der Lexis können allzu konvergent sein, wenn sich nur noch zeigen kann, was schon gesagt ist oder sagbar wäre. Sie können auch extrem konfligieren, wenn das Bild komplett aus der Reihe der Tradition fällt. Zwischen diesen Grenzwerten ist jedenfalls immer und überall ein Machtkonflikt präsent, den zu kaschieren den Blick vernebeln würde.
Nur – auch wenn man der von Lacan inspirierten Umbesetzung vom Symbol auf das Symptom folgt, ist damit keineswegs der Machtkonflikt entspannt. Die Macht der psychoanalytischen Sprache kann dasselbe Problem in anderem Dialekt durchaus wiederkehren lassen. Daher ist mit der Umbesetzung durch ein anderes Modell nichts ‹behoben›, wenngleich doch der Blick und die Sprache geweitet werden, und das ist ein gravierender Gewinn. Es geht indes auch dann um die Frage, wie nicht nicht sprechen oder wie sprechen malgré tout? Es ist nicht nur eine Frage der Semantik (der Renaissance, Cassirers oder Lacans), sondern eine Frage der Pragmatik, der sprachlichen Umgangsform mit dem Bild. Dass darin auch die Dimension einer ‹Ethik der Interpretation› anklingt, auch eine von deren Politik, also Fragen der Macht, ihres Gebrauchs und dessen Freiheiten und Verantwortlichkeiten, ist sicher merklich.
Gottfried Boehm, Sebastian Egenhofer, Christian Spies (Hg.), Zeigen. Die Rhetorik des Sichtbaren, München 2010.
Dieter Mersch, Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis, München 2002.
Zeigendes Sprechen – in Antwort auf das Bild
Schon vor dem so hilfreichen Band Zeigen [12] ist in verschiedenen Versionen vertreten worden, dass Bilder vor allem deiktische Kompetenzen haben: [13] etwa zu zeigen, was gesagt wurde (in Bildung, Pädagogik, Medien); zu zeigen, was bisher nicht gesehen wurde (Visibilisierungstechniken) oder Evidenzen zu erzeugen (zu zeigen, was der Fall ist) etc. Etwas weiter geht der Vorschlag Gottfried Boehms, Bilder aus der Deixis zu verstehen (Gebärden, Gesten etc.). Ich möchte Bilder als Deixis (als Ereignisse des Zeigens) verstehen, wie oben angedeutet. Das war zuvor schon vertreten worden, etwa mit Wittgensteins Bildtheorie des Tractatus, dass Bilder zeigen, und in bestimmter Bedeutung sogar das zeigen, was man nicht sagen kann: «Was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden.» [14] Dieter Mersch hatte daraus – im Geiste Adornos – eine negative Ästhetik konzipiert: dass zwischen Zeigen und Sagen ein unendlicher Hiat besteht. [15] Bernhard Waldenfels würde hier von der Diastase sprechen, allerdings mit der Weiterführung, dass auf das Zeigen im Sagen geantwortet werden kann, und ethisch weitergeführt: nicht nicht geantwortet werden kann. Mit Erinnerung an Levinas (auch wenn er ästhetisch und bildtheoretisch erstaunlich unmusikalisch ist): Dem Bild gegenüber gibt es keine Position der Indifferenz (wenn es denn anspruchsvoll ist, kann man ihm die Antwort nicht verweigern; auch wenn die nicht explizit gemacht werden muss).