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Die Interpretativität der Wahrnehmung (auch eine retrospektive Metapher) verfährt selber eher deiktisch als lektisch: Es zeigt sich etwas und dieses seltsame Etwas wird als etwas Seltsames wahrgenommen, als der Aufmerksamkeit wert und als ein Ding besonderer Art. Wahrnehmung diskriminiert in Antwort auf das Sich-Zeigende – und so entfaltet die Wahrnehmung ihren synthetischen Charakter, ihr Ergebnis ist die Synthesis namens ‹Bildobjekt›. [3]

Gründet die Differenz in etwas am ‹Ding›, einer Markierung, etwa Kerben in einem Stein, der ihn von anderen unterscheidet, und als Bildding auszeichnet?

Ist es etwas im Verhältnis des einen Dings zu anderen, etwa wenn überall Steine herumliegen, aber einer von ihnen aufgerichtet steht, eine Differenz dieses Dings zu anderen, eine Diskriminierung, die – der von profan und sakral verwandt – einen Unterschied der Umgangsform markiert?

Ist es (zugleich?) etwas ‹im Gebrauch› dieses ‹ganz besond’ren Dings› namens Bildding? Ein Bild eines Mammuts wird (für gewöhnlich) nicht beschossen und gejagt. Ein ästhetisches Artefakt wird anders gebraucht oder ‹gar nicht› mehr gebraucht wie vor seiner Gestaltung, wie Duchamps pissoir zeigt. Im Grenzwert ist das ästhetische Artefakt ‹désoeuvrée›, ‹entwerkt›, wie Blanchot meinte (worin ihm Nancy und Agamben folgen), gleichsam ‹out of order› – und darin kein Gebrauchsgegenstand mehr, sondern dem üblichen Dinggebrauch entzogen.

Ist es ursprünglich ‹etwas› im Blick, in der Art des Sehens, indem das Ding gesehen wird als ein Bild – bis dahin, dass ein ‹panästhetischer› Blick alles für Bilddinge halten kann (zumal wenn in platonischer Tradition alle Erscheinungen von Urbildern abgeleitet wären)? Dann droht gelegentlich die Panästhetik in Anästhetik zu kippen.

Husserl fragte: «Mit einer schlichten Auffassung hätten wir also im eigentlichen Sinn noch gar kein Bild, sondern höchstens den Gegenstand, der nachher als Bild fungiert. Wie kommt er dazu, so ‹zu› fungieren? Wie soll es verständlich werden, dass, während uns das Bildobjekt erscheint, wir uns damit nicht genügen lassen, sondern mittels seiner ein anderes Objekt meinen?» [4] Bildwahrnehmung als Differenzsetzung führt dazu, ein Ding als Bild wahrzunehmen: die Striche und Flächen an der Höhlenwand als Bison – oder Farbspritzer Pollocks als ästhetische Gestaltung.

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