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Der Mensch als ‹Bild› Gottes und das ‹Bild› Gottes im Alten Testament

In this paper, Andreas Wagner investigates the topos of similitude (Ebenbildlichkeit) in the Old Testament. Two concepts of the image can be found in the Old Testament. On the one hand, the notion of man in god's image, a concept derived from the idea of the king as a statue of god. And on the other, the Old Testament is characterized by the anthropomorphism of god's image, not as a visual category, but in terms of agency and communication. The study of these two concepts shows that they cannot be reduced to materiality and mimesis.

Vorbemerkung

Im Alten Testament wie im Alten Orient nähert man sich Erkenntnis nicht über Definitionen und Systembildungen an. Was die europäische Tradition in Philosophie und Wissenschaft (einschliesslich der Theologie), fussend auf griechischer Übung und Überlieferung, zu einem Erkenntnissystem ausgebaut hat, ist eindrucksvoll und sicher auch Erkenntnis fördernd. Aber es ist eben ein grundsätzlich anderer Erkenntnisweg als der der altorientalischen Kulturen (zu denen auch das Alte Testament gehört).

Während wir gewohnt sind, gedankliche Konzepte von Sachen, die hinter einem Begriff stehen, explizit zu formulieren, Begriffe zueinander in Beziehungen zu setzen, nach Begriffsschärfen, Extensionen, Interdependenzen zu fragen, Begriffe mit empirischen und experimentalen Beobachtungen zu verbinden, zu verifizieren und zu falsifizieren, nach induktiven und deduktiven Erkenntniswegen zu suchen u.a.m., bis sich ganze Systeme von Erkenntnis und Wissenschaft aufbauen, fehlt eine solche explizite und reflektierte, meist im Medium der Schrift vorliegende Erkenntnismethodik und -systematik in den antiken Kulturen des östlichen Mittelmeerraums nahezu ganz; ich meine damit die grossen und kleinen Kulturen der geschichtlichen Zeit Ägyptens, Mesopotamiens, Syrien-Palästinas u.a., bis zur hellenistischen Zeit, in der es zu bis heute bedeutsamen und sehr intensiven Begegnungen dieser Kulturen mit griechischer Tradition und grossen Beeinflussungen gekommen ist. [1]

Wir werden daher auch vergebens nach begrifflich-systematischen Philosophie- oder Wissenschaftswerken, die etwa mit griechischen oder lateinischen Werken dieser Art vergleichbar wären – ich denke hier an Aristoteles’ Rhetorik oder Poetik u.ä. –, aus Ägypten, Assyrien, Babylonien oder Kanaan Ausschau halten.

Ausgabe 01 | Seite 79  >>