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Ich wage eine erste Umschreibung: Mit Bildcharakter von Musik wäre das bereits erwähnte Moment der Mnemosyne gemeint, die Fähigkeit von Musik, eine imaginäre Spur des Vergangenen zu sein. Es wäre ihr Vermögen, Zeugnis von einer historischen Wirklichkeit [24] abzulegen. «Die ästhetischen Bilder sind kein Unbewegtes, keine archaischen Invarianten.», folgert Adorno und hebt hervor: «Kunstwerke werden Bilder dadurch, dass die in ihnen zur Objektivität geronnenen Prozesse selber reden.» [25]

Aus einer erkenntnistheoretischen Perspektive steuert Adornos Argumentation auf die Idee zu, dass der Bildcharakter der Kunstwerke eine besondere Art und Weise ästhetischer Erkenntnis ist. Die so aufgefassten Bilder reden, sie vermögen mehr zu erzählen als das, was da zu sehen, zu hören oder zu lesen ist, sie enthüllen das, was von der begrifflichen und philosophischen Erkenntnis stets ausgeschlossen bleibt; philosophisch ausgedrückt: das Moment des Nichtidentischen. Der in Adornos Negativer Dialektik zentrale Begriff der Nichtidentität verweist auf eine erkenntnistheoretische Haltung, die in der Ästhetik die Rettung dessen anvisiert, was die begriffliche Erkenntnis gleichsam aussortiert: das Individuelle und Besondere, kurz: das nicht logisch Erfassbare. Ästhetische Erkenntnis, als mimetische Identifikation des Nichtidentischen, kondensiert bei Adorno in der Idee vom bilderlosen Bild. So vereinigen sich im Kunstwerk Erkenntnischarakter, Bildcharakter, Bilderlosigkeit und mimetisches Verhalten zu einer gedanklichen Konstellation:

«Kunstwerke sind Bilder ohne Abgebildetes und darum auch bilderlos; Wesen als Erscheinung. Sie ermangeln der Prädikate Platonischer Urbilder so gut wie Nachbilder, zumal dessen der Ewigkeit; sind durch und durch geschichtlich. Das vorkünstlerische Verhalten, das der Kunst am nächsten kommt und zu ihr geleitet, ist das, Erfahrung in eine von Bildern zu verwandeln; wie Kierkegaard es ausdrückte: was ich erbeute, sind Bilder. Kunstwerke sind deren Objektivationen, die von Mimesis, Schemata von Erfahrung, die den Erfahrenden sich gleichmachen.» [26]

In Adornos Philosophie der Kunst löst sich das Bilderverbot dialektisch auf. Der nichtbegriffliche Erkenntnischarakter von Kunst hat den Status der Bilderlosigkeit, welcher aber durch Bilder – die Kunstwerke selbst – produziert wird. Schon in seinem Buch über Kierkegaard bringt Adorno diese Bewegung zur Sprache, wenn er behauptet: «[D]ies Reich [des Ästhetischen] [...] empfängt seine Struktur aus den Bildern, die dem Wunsch erscheinen, nicht aber von ihm erzeugt sind, da er doch aus ihnen selber hervortritt.» [27]

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