Eine bewusste Definition der Zielsetzung, inklusive einer Beschreibung der Linienform, wird bei technischen Zeichnungen, die ohne Ziel der Formfindung hergestellt werden, auf der gedanklichen Ebene des Bewusstseins gefällt. Die Entscheidungen in einem frei angelegten Formfindungsprozess werden auf einer unbewussten und deshalb nicht direkt verbal fassbaren Ebene bleiben müssen. Mit anderen Worten: Im Prozess der Freihandzeichnung entsteht keine Linie durch eine ausschliesslich analytische Reflexion über deren Ziel und Form.
Auch in der Anfangsphase, die als Positionierung des Zeichenwerkzeuges auf dem Blatt beschrieben werden kann, handelt es sich in den wenigsten Fällen um eine bewusste Handlung. Vielleicht wird bei der Setzung des ersten Pinselstriches einer Tuschezeichnung nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen bewusst nicht mehr im Zentrum des Blattes begonnen. Aber auch danach ist der weitere Verlauf der Bildfindung als Reaktion auf vorhandene Bildelemente zu beschreiben, die einer eigenen Bewegungslogik folgt. Die erfolgreiche Fortschreibung der Tuschezeichnung wird nicht durch eine bewusste Kontrolle der Motorik bewirkt, sondern steht in direktem Zusammenhang der Bewegungsoptionen und der internen Rhythmik des Körpers.
Die Phasen der Hauptaktivität des Ziehens der Linie, der Möglichkeit der Unterbrechung und der Wiederaufnahme, der Möglichkeit, die Hauptaktivität zu variieren oder weiterzuführen, der Kontrolle, ob das Ziel erreicht wurde, der Abschlussphase und der Endphase bestätigen die Schwierigkeit der verbalen Beschreibung von unbewussten Entscheidungen. «Das heisst, die Analyse der Geste [des Malens] zeigt dem Analysanden, dass er sich in die Geste selber versetzen muss, will er ihr Enigma lösen. Das Verständnis der Geste muss ein Selbstverständnis sein.» [19]
Erstes zeichnerisches Experiment zur Differenzierung des cognitive unconscious – Einfluss der physischen Konstellation des Arms
An der Figur einer Ellipse können wir versuchen, an die zeichnerischen Prozesse näher heranzukommen. Es gibt unterschiedliche Verfahren, die Figur des verkürzten Kreises zu erzeugen. Wir können die Ellipse geometrisch konstruieren und die Linie aus Einzelpunkten mit gleichem Gesamtabstand von zwei Fokuspunkten definieren. Aus der Aneinanderreihung der Punkte entsteht die Figur des verkürzten Kreises, die sich auf praktische Weise mit zwei Nadeln, einer Schnur und einem Stift auf einem Blatt Papier erzeugen lässt und auch Gärtnerellipse genannt wird.