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Diese Fragestellung, die einer praxisorientierten Bildforschung und der Entwurfsforschung [4] zugeordnet werden kann, lautet: Wie lassen sich Erkenntnisse über Bilder durch deren systematische Genese gewinnen und unter welchen Bedingungen lässt sich der Entwurfsprozess als kritisches Verfahren einsetzen?

Motivation für den Vergleich ist die Beobachtung, dass im Verlauf der Bildgenese in Visueller Kommunikation, Design und Architektur vielfältige Entscheidungsformen auftreten, welche nicht mit dem Denken in abstrakten Zeichensystemen der Sprache verglichen werden können, aber in einer Beurteilung der Wirkung von visuellen Konstellationen mündet. Die aporetisch anmutende Ausgangslage der Gleichstellung von Entwurfsprozess und kritischem Denken wird im Folgenden als Analyse der Bildgeneseprozesse angelegt, zu deren Verbalisierung sich kognitionswissenschaftliche Theorien anbieten. Sie und die damit verbundenen Begrifflichkeiten werden herangezogen, um die körperlichen Aktionen und Reaktionen des Entwurfsprozesses in Bezug zum Denken in abstrakten Zeichensystemen zu setzen und damit eine vertiefte Analyse der Bildgeneseprozesse zu erreichen

Entscheiden und Kategorisieren aus kognitionswissenschaftlicher Sicht

Die kognitive Linguistik beschreibt ein Spektrum von Denkprozessen, welches von der unbewussten, emotionalen Reaktion auf Veränderungen im Umfeld bis hin zum Denken in komplexen Metaphern in abstrakten Symbolsystemen reicht. Die Theorien des embodiment differenzieren dieses Kontinuum des Denkens mit dem Ziel, den Zusammenhang zwischen körperlicher Konstitution und Strukturen, welche der Sprache unterlegt sind, zu begründen. Die Kategorisierung von Ereignissen im Umfeld des Organismus und damit ihre Unterscheidung ist aus kognitionswissenschaftlicher Sicht ein Prozess, der von der physischen Konstellation des Wahrnehmungsapparates geprägt ist und nur teilweise im Bereich des bewussten Denkens stattfindet. Wichtige Kategorisierungen in vertikal – horizontal, entfernt – nah, oben – unten etc. werden bereits im Wahrnehmungsprozess ausgeführt, ohne dass bewusst überlegt werden muss, ob zum Beispiel ein Gegenstand in unserem Umfeld oberhalb oder unterhalb eines Referenzpunktes liegt. [5]

Diese Vorgänge der Entscheidung, die den bewussten Denkprozessen verschlossen bleiben, rechnen die Kognitionswissenschaften dem Bereich der unbewussten Wahrnehmung – dem cognitive unconscious – zu. [6] 

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