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Wir können in Anlehnung an paläoanthropologische Studien auf drei kommunikative Ziele schliessen, welche auch für Bilder zutreffen: Das kommunizierende Individuum möchte den Kommunikationspartner zu einer Handlung bewegen, diesen informieren oder ihm seine Gefühlslage mitteilen. [14]

Obwohl auch diese Analyse der Beweggründe für eine kommunikative Äusserung im Kontext der Sprachentwicklung gemacht worden ist, können wir für den Entwurf ableiten, dass der Ausgangspunkt von Entwurfsprozessen das Urteil über bestehende Bilder ist. Sind keine Bilder vorhanden, die das Ziel erfüllen, die Handlung von anderen Mitgliedern der Gruppe zu lenken, sie zu informieren oder einen Gefühlszustand auszutauschen, dann ist die Notwendigkeit gegeben, ein Bild herzustellen, welches das gewünschte Ziel erreicht. Ein Entwurfsprozess wird also dann initiiert, wenn die Wirkung der bekannten oder zur Verfügung stehenden Bilder nicht den Vorstellungen des Entwerfers oder einer Gruppe, die ein visuelles Kommunikationsziel verfolgt, entspricht. Bereits dieser Schritt beruht auf der Beurteilung der Bildwirkung und schliesst die Definition der Zielsetzung eines vorhandenen oder noch herzustellenden Bildes unumgänglich ein.

Ein Blick auf Entwurfsprozesse zeigt, dass in der Initialisierungsphase nur sehr generell festgelegt werden kann, was das bildliche Resultat des Prozesses sein wird. [15] Vielmehr geht es darum, Rahmenbedingungen als Kriterien für die Beurteilung noch bevorstehender Entwürfe zu definieren, durch die ein Variationsfeld erschlossen werden kann. Mit diesen festgelegten Kriterien wird die Beurteilung von unvorhersehbaren Bildern, als Abgleich zwischen Zielsetzung und erreichter Wirkung eines Entwurfs einerseits und im Vergleich zwischen den einzelnen Entwurfsbildern in einem erzeugten visuellen Möglichkeitsfeld andererseits, durchführbar. So wird ein mehrdimensionales Kräftefeld erzeugt, welches man mit Umberto Eco als Möglichkeitsfeld beschreiben könnte. [16] Damit der Prozess des Entwurfs nicht zu einer technisch handwerklichen Ausführung von einem bekannten Bildkonzept wird, ist die visuelle Resultatoffenheit Voraussetzung für unerwartete Bilder.

In der zweiten Prozessphase, der Anfangsphase werden die Vorbereitungen für eine Zeichnung getroffen. Es wird die ungefähre Grösse der Zeichnung festgelegt, sowie das Werkzeug und das Papier bestimmt. In direktem Zusammenhang damit steht die Art der Zeichenbewegung, die in der Hauptaktivität des Prozesses folgen wird. Ist es eine grossformatige Arbeit, dann ist der ganze Körper beim Zeichnen an der Staffelei involviert.

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