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Neben seiner Funktion im Rahmen einer narrativen Selbstreflexion ist er immer auch als Kampfansage gegenüber den zitierten Medien zu verstehen, die das realistische Erzählen überflüssig zu machen scheinen und es fundamental bedrohen.

Das Bild wird von der Narration benutzt, aber auch als das Andere derselben erst kenntlich gemacht. Ort stellt folglich nur eine Seite der Medaille dar, wenn er Folgendes festhält: «Mediengeschichtlich stellt sich vor diesem Hintergrund die (direkte und indirekte) Selbstreferenzialität der Literatur des ‹Realismus› – ihre zwanghafte Fixierung auf die Problematisierung äußerer ikonischer und zunehmend auch innerer Bilder –  als Versuch dar, sich zu konkurrierenden Bildmedien in Beziehungen zu setzen, sie durch Verschriftlichung und andere semiotische Verfahren zu domestizieren und an nicht-ikonische Zeichen anzubinden.» [21] Ebenso wichtig wäre zu beobachten, inwiefern die narrative (oder allgemeiner: textuelle) Inszenierung des Bildes auf das, was unter ‹Bild› verstanden wird, rückwirkt und wiederum Bestandteil von Narrationen werden kann. [22]

 

(Selbst)Kritisches Potential des realistischen Erzählens

Wie mit Ort gezeigt wurde, ist das Zitieren des Konkurrenzverhältnisses von Bild und Narration im realistischen Erzählen Bestandteil einer indirekten Selbstthematisierung und zugleich -stärkung. Dass letztere zum Scheitern verurteilt ist, zeigt sich an den spätrealistischen Ausprägungen des narrativ inszenierten Bilddiskurses. Die Eindämmung des Bildlichen verselbstständigt sich und die Narration handelt nur noch von dieser narrativen Strategie, d.h. verstrickt sich aufgrund des narrativ inszenierten Bilddiskurses noch tiefer in eine selbstreferentielle Schlaufe. Die Destruktion des Bildlichen als Versuch, Bilder durch die Narration zu Zeichen zu machen und das Bildliche an textuelle Zeichen rückzubinden, führt das Erzählen immer mehr von der Darstellung der ‹externen› Wirklichkeit weg. Es wird zu einem Erzählen des Scheiterns des Erzählens, das aufgrund des zitierten Konkurrenzverhältnisses sichtbar wird. Die ehemals verborgene Aporie des realistischen Erzählens wird quasi an der Textoberfläche ‹auserzählt›. Das Bildliche ist zu einem Moment des unendlichen Prozesses des Erzählens des Erzählens geworden.

So ist der narrativ inszenierte Bilddiskurs einerseits Bestandteil einer narrativen Selbstreflexion (wie z.B. die Einfaltung der (para)textuellen Rahmung, die an die Stelle des Textinneren vorzustoßen beginnt), andererseits bietet er die Möglichkeit, selbstreferentielle narrative Strategien zu bündeln.

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