Methodische Aporien und philosophische Konsequenzen ikonischer Kompositionalität
This essay investigates iconic compositionality within the process of composite photography. The essay, first, demonstrates the requirements and logical implications upon which composite photography is based. Further, the essay analyses the genuine aporias of the technique of image synthesis. Finally, the philosophical consequences Ludwig Wittgenstein drew from the characteristics of classical composite photography are discussed.
«[...] Wir können also diese Strichgesichter – und das ist für folgende Betrachtungen wichtig – als autonome Gebilde mit Gesichtsausdruck ansehen, die diesen, von nirgends anders her borgen.»
(Ludwig Wittgenstein)
Als Francis Galton Ende des 19. Jahrhunderts die Kompositphotographie für sich entdeckte, ging es ihm um rassische Typisierungen menschlicher Physiognomien. [1] Er wollte quasi-statistische Allgemeinbilder schaffen, die die charakteristischen Merkmale einer Gruppe porträtierter Menschen formulieren können sollten. Galton berief sich direkt auf die Gauss-Kurve und glaubte, mit der Kompositphotographie mathematische Statistik und Photographie verbinden zu können. In diesem Anspruch eine quasi-mathematische Objektivität mit bildtechnologischen Mitteln zu erreichen, stimmt die frühe optische Kompositphotographie Galtons noch mit den algorithmisierten Bildern der biometrischen Gesichtserkennung überein. Denn das Kompositbildthema kehrt in seiner bildlogischen Funktionalität mindestens an drei Stellen in biometrischen Systemen wieder:
Erstens in der Genese eines Datenbankeintrags, für den verschiedene Aufnahmen einer Person in Form eines Schemas oder Templates generalisiert werden – was die Annahme von Gemeinsamkeiten zwischen den Bildern impliziert. Zweitens werden auch die von Kameras aufgezeichneten Bildserien jeweils auf spezifische, repräsentative Porträts einzelner Passanten reduziert – auch hier werden also Durchschnittsbilder mit repräsentativem Status produziert.