Und drittens ist auch der Abgleich zwischen einem Datenbankeintrag und der aktuell errechneten Aufnahme in bildlogischer Hinsicht ein Kompositprozess: zwei verschiedene Bilder werden auf ihre bildlichen Gemeinsamkeiten befragt, also darauf, ob sich zwischen ihnen eine bildliche Übereinstimmung finden lässt.
Diese Vergleichsprozesse zwischen Bildern, die in der Perspektive der Universalisierung angenommener Gemeinsamkeiten zwischen ihnen geschehen, sollen im folgenden Beitrag unter dem Arbeitsbegriff der ikonischen Kompositionalität diskutiert werden. Damit wird zugleich die Hypothese formuliert, dass sich Kompositbildmontagen und -konstruktionen in der ihnen eigenen Hervorbringung von ikonischer Bedeutung anders verhalten als dies im Falle sprachlicher Kompositionalität geschieht. Diese Spezifik soll in drei Schritten untersucht werden.
In einem ersten Abschnitt referiere ich kurz die klassischen Verfahren kompositionaler Bildsynthesen, um zu zeigen, auf welchen Voraussetzungen und bildlogischen Implikationen sie gründen. In einem zweiten Schritt werde ich ihre genuinen Aporien analysieren, indem ich darlege, dass die Konvergenzen und Divergenzen zwischen den kompositional montierten Bildern grundsätzlich auf unterschiedliche Bildqualitäten referieren, sodass im Komposit immer schon disparate Bildmerkmale synthetisiert werden. In einem dritten Abschnitt möchte ich zeigen, welche philosophischen Konsequenzen Ludwig Wittgenstein aus den medialen Eigenheiten der klassischen Kompositphotographie Galtons gezogen hat, indem er aus den Erfahrungen ihrer Artifizialität wichtige Grundannahmen seiner Philosophie ableitete, die für den Umgang mit Bildüberlagerungen, Bildvergleichen und Bildkompositen nach wie vor bedenkenswerte Orientierungen geben können.
1. Konstruktionsbedingungen historischer Komposittechniken
Im Unterschied zu Bilddarstellungen, die durch die Exemplifikation einer Konvention (z.B. das rechtwinklige Dreieck des Mathematikers) oder eines Genres (z.B. die Allegorie der Weisheit in der Kunstgeschichte) für einen allgemeinen Zusammenhang stehen, ist für Galtons Kompositphotographie entscheidend, dass ihr Objektivitätsanspruch an ein technisches Verfahren und die Voreinstellungen und Annahmen einer konstruktiven Methode delegiert wird. Kompositbilder werfen deshalb die kardinale bildtheoretische Frage auf, ob visuelle Verallgemeinerungen auf der Grundlage eines bildtechnologischen Verfahrens möglich sind, ob es also eine Form technologisch generierter, ikonischer Universalität geben kann.