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Sie müssen also erst durch geeignete methodische Setzungen vergleichbar gemacht werden, die von den Aufnahmebedingungen bis zu den Montagetechniken oder gar Lektürekonventionen reichen. Diese Aspekte finden sich bei den erkennungsdienstlichen Photographien Alphonse Bertillons wieder [8], einem Zeitgenossen und Konkurrenten Galtons, der mit seinen methodischen Standards grundsätzlich die ‹Identität von Personen trotz bedeutender Unähnlichkeit ihrer Bilder› [Abb. 5] gewährleisten wollte.

Bertillon hat durch die Zweiteilung der Verbrecherphotographie in eine Profil- und eine en face-Aufnahme deutlich die Verschiedenheit der zu vergleichenden Bilder betont und durch die Standardisierung der Aufnahmebedingungen eine konstruktive Gleichheit etabliert, die sich auf Abstand, Proportion und Körper-Haltung der porträtierten Kriminellen bezieht. Der Unterschied zu Galtons Verfahren ist dabei keineswegs so gross, wie es in Alan Sekulas profunder Untersuchung zum Körper und Archiv den Anschein hat. [9] Denn eigentlich wollte auch Bertillon ein Kompositbild erzeugen, allerdings sollte es erst in der Imagination des Kriminalbeamten entstehen, der die Karteikartenbilder kennt, weil er sie mit einem eigens entwickelten Vokabular detailliert beschreiben kann (portrait parlé) und ebenfalls in der Lage ist, im Strassenbild solche Photographien flüchtigen Verbrechern zuzuordnen. 

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