>>

Fasst man die bildtypologischen Eigenheiten der Kompositphotographie zusammen, ergeben sich folgende Charakteristika:

  1. Das Kompositbild verallgemeinert mit dem Anspruch auf technische Objektivität.
  2. Die montierten Einzelbilder gehen nur als reduzierte in das Kompositbild ein.
  3. Es werden zur Montage von Kompositbildern nur unterschiedliche Bilder verwendet.
  4. Eine Vergleichbarkeit der Bilder muss erst durch eigens entwickelte Aufnahmestandards, Konstruktionsmethoden oder Montageverfahren erzeugt werden.

Es besteht der Verdacht, dass sich der Anspruch des Kompositbildes, technisch verallgemeinern zu können, nur deshalb so lange halten konnte, weil es sich um ein Bild mit einer, wenn auch artifiziellen, Gesichtsdarstellung handelt. Diese Gesichtsfixierung des Komposits, die sich bevorzugt in künstlerischen und ausschliesslich in biometrischen Bildsynthesen wiederfindet, hat aber eine ganz eigene Suggestivität, denn was wie ein Gesicht aussieht, scheint keine hochartifizielle Bildkonstruktion sein zu können. [12] Gerade die unmittelbare Gesichtswahrnehmung am Komposit macht blind für das technisch Andere des Bildes, die Tatsache also, dass es sich immer bereits um «autonome Gebilde mit Gesichtsausdruck» handelt. Deshalb möchte ich nun meine bildlogische Analyse von Kompositbildern an einfachen, graphisch reduzierten Abbildungen durchführen.

2. Pictoriale und konfigurative Merkmale in Kompositbildern

Legt man nach der Methode der optisch / photographischen Überlagerung folgende zwei Bilder übereinander [Abb. 7], die jeweils eine einzelne Linie auf gleicher Höhe aber mit seitlicher Verschiebung zeigen, so ergibt das Kompositbild für den mittleren Bereich eine Überschneidung. [13]

Handelt es sich nun bei der entstandenen Überschneidung um ein gemeinsames Merkmal (der porträtierten Linien oder ihrer Bilder), und wenn ja, wovon genau kann die mittige Überlagerung der Linien solch ein gemeinsames Merkmal sein? Bezieht man das entstandene Komposit auf die montierten Einzelbilder zurück, fällt folgendes auf: An der ersten Linie hebt das Kompositbild die rechte Seite oder Hälfte hervor, an der zweiten Linie jedoch eine linke Hälfte.

<<  Ausgabe 01 | Seite 125  >>