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Trotz dieser Verwandtschaft von Bild und Modell kam es bislang erstaunlicherweise nur sehr vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen modell- und bildzentrierten Fragestellungen. Die Debatte um Bilder und um Modelle fand und findet in verschiedenen wissenschaftlichen Diskursen statt.

[2]

Herbert Stachowiak, Allgemeine Modelltheorie, Wien/New York, 1973, S. 159–174.

[4]

Giere, Visual Models (Anm. 3), S. 284.

[5]

Ronald N. Giere, How Models Are Used to Represent Reality, in: Philosophy of Science 71, December 2004, S. 742–752. p>

 

Vom Modell zum Bild

Die seit den 1960er Jahren anhaltende, intensive Auseinandersetzung der Wissenschaftsforschung mit Modellen, sei es in philosophischer, historischer oder soziologischer Perspektive, weist einen blinden Fleck auf, wenn es darum geht, bildliche Phänomene zu diskutieren. Obwohl Bilder und Modelle in der Forschung oft gemeinsam anzutreffen sind, wurde ihr Zusammenspiel in der Wissensproduktion bislang ebenso wenig untersucht wie die Bedeutung von Bildern in der Vermittlung modellerzeugter Kenntnisse.

Was bisher vorliegt, sind einige wenige voneinander unabhängige Ansätze, Bild-Modell-Hybride zu charakterisieren. So entwickelte der Kybernetiker Herbert Stachowiak im Zuge seines Entwurfs einer allgemeinen Modelltheorie ein Konzept graphischer Modelle, worunter er zweidimensionale «anschaulich-räumliche Originalabbildung(en)» versteht. [2] Graphische Modelle unterteilt er in zwei Klassen. «Bildmodelle», die eine mehr oder weniger ausgeprägte «Originalähnlichkeit» auszeichnet, stellt er «Darstellungsmodellen» (z.B. Diagramme, Schaltbilder) gegenüber, für deren Verständnis die zugrunde liegenden Zeichenkonventionen bekannt sein müssen. Ebenso wie Stachowiak geht auch der Wissenschaftsphilosoph Ronald Giere den Weg von Modellen zu Bildern. D.h. er fragt, ob und inwiefern Bilder als Modelle aufgefasst werden können. Giere interessiert, wie visuelle Modelle die ‹reale Welt› auf genuine Weise repräsentieren können. [3] Bilder seien zwar nicht «logisch zwingend», aber es ginge ihm im Zusammenhang mit seinem Projekt der Entwicklung einer naturalistischen Wissenschaftstheorie darum, wie Wissenschaftler tatsächlich räsonieren. Vor diesem Hintergrund kommt er zum Ergebnis, dass Bilder Wissenschaftlern eine Grundlage für modell-basierte Entscheidungen bieten («provide grounds for model-based judgments»). [4]

Bei Giere wie bei Stachowiak stehen visuelle Modelle gleichberechtigt neben anderen Modelltypen. Die ikonischen Modelle sind im Rahmen derartiger Klassifikationsversuche typischerweise an einem, mathematischen Modellen entgegengesetzten Ende einer imaginären Skala verortet. Eine solche Positionierung bleibt nicht folgenlos. Die Betonung ihrer Distanz zu formalisierten Modellbeschreibungen (z.B. in Form eines Systems von Differentialgleichungen) suggeriert die zentrale Bedeutung ihrer Ähnlichkeit mit «Weltaspekten». [5]

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