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Solche dreidimensionalen Wachsmodelle waren im 19. Jahrhundert beliebte Unterrichtsmodelle; den zweidimensionalen bildlichen Darstellungen wurden zum Teil ähnliche didaktische Rollen zugeschrieben. Bild-Modell-Beziehungen finden sich hier auf eine neue Weise verkettet. Denn einerseits lassen sich solche Bilder als Dokumentationen eines Modells verstehen, das in seiner produktiven, Verständnis fördernden Rolle aufscheint. Andererseits werden Bilder selbst zu Modellen, indem sie nur gewisse Attribute ihres ‹Originals› (des anderen Modells) erfassen. Eine solche Verkettung wirft interessante Fragen auf: Was wird hier eigentlich durch wen repräsentiert? Welche Bedeutung haben die Übergänge zwischen Bild und Modell? Unter welchen Bedingungen kann das Bild das Modell ersetzen? Diese Fragestellungen leiten zu dem ersten der im Themenheft versammelten Texte über, der anhand eines Gemäldes eine ähnliche Konstellation analysiert.

 

Zu den Beiträgen

Reinhard Wendler spürt Giorgio Vasaris Modellverständnis nach, indem er dessen bildliche und ikonische Darlegungen untersucht. Der Renaissancegelehrte adressiert mit ‹Modell› eine zwischen Unbestimmtheit und Unmittelbarkeit changierende Entität – eine Vorstellung, mit der auch wissenschaftstheoretische Positionen des 20. Jahrhunderts etwas anfangen können. Unbestimmt ist beispielsweise, wie das Aktmodell Pippo del Fabbro, der für Jacopo Sansovino im Kontrapost mit Schale und Trauben posierte, auf dass seine Figur in Stein gemeisselt werde, seine Rolle verkörperte. Sein Posieren emanzipierte sich nach einer Weile von der Anwesenheit des Bildhauers, er brauchte sodann lediglich einen Sockel. Die Tatsache, dass Sansovino seinen Assistenten porträtierte, d.h. nach der «Natur» bzw. dem «Original» arbeitete, verweist auf die Seite der Unmittelbarkeit. Dieses «Original» stellt sich aber gerade als mehrdeutig heraus: Wie sein Motiv Bacchus überschreitet Pippo sich selbst.

Vergleichbares erörtert Wendler in einem weiteren Exempel, einem Gemälde, das zeigt, wie Cosimo de’ Medici projektiert. Die Frage des Porträtsitzens erübrigt sich in diesem Fall, da der Herrscher zum Zeitpunkt der Entstehung des Deckengemäldes längst verstorben ist. Stattdessen wird ein anderes Detail für die Ausführungen wichtig. Vasari zeigt den Feldherrn, wie er neben bzw. anhand eines nicht festlegbaren Hybrids aus einem vermeintlichen Fensterausblick, einer gemalten perspektivisch-zweidimensionalen Stadtansicht (Bild im Bild) und einer dreidimensionalen Konfiguration der urbanen Verhältnisse einerseits, sowie dem Grundriss einer Fortifikationsanlage andererseits Angriffsszenarien durchexerziert.

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