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Das Präsentationsmodell verschränkt somit ein Erinnern, Repräsentieren und sich in einen ikonischen Kontext Fügen. Darüber hinaus aber, so betont Schellewald, ist eine prospektive und modellhafte Dimension nicht zu unterschlagen. Über einen Vergleich zur Auffassung von Heiligendarstellungen – als Abbilder von Urbildern – verdeutlicht sie, dass hier wie dort eine bestimmte Art von darstellerischen Indizien für die Betrachter der damaligen Zeit eine Modellhaftigkeit evozierte. Der Beitrag gipfelt in der These, dass die Überprüfbarkeit des Architekturmodells mit dem effektiven Bau die Steigerung des Abbildcharakters der Heiligenporträts bewirkt, die – bei vergleichbarem Bildstatus – einem ähnlichen visuellen Abgleich nicht unterzogen werden können und die Darstellung des Stifters samt Architekturmodell dann eine starke Rückbindung in die Bildlogik erfordert, um nicht Gefahr zu laufen, in Bezug auf den Realitätsgrad mit der Ikone zu konkurrenzieren.

Um Repräsentation und Wirkmacht dreht sich auch der Beitrag von Philipp Jeandrée. Er untersucht die These, wonach sich in Gemälden des 17. und 18. Jahrhunderts eine Verschiebung im politischen Denken bemerkbar macht. Louis XIV, der uns schon im Beitrag von Bürger als expansionstüchtiger, alle traditionellen Kriegsstrategien ignorierender und aufgrund dessen auch fortifikationstechnische Innovationen befördernder Monarch begegnet ist, steht hier nun für den absolutistischen Machthaber, der seine Legitimation aus einem göttlichen Mandat zieht. Das persönliche Vorbild des Sonnenkönigs aus der griechischen Mythologie ist hier nicht Bacchus, sondern Apoll. Das Porträt des Königs wird als Modell bzw. Exemplifizierung verstanden, das dem «Image» göttlicher Macht ähneln sollte. Über idealisierende Züge werden im Bild die beiden Körper des Königs – um mit Kantorowicz zu sprechen – hervorgehoben (die unsichtbare Gründung seiner Souveränität im Göttlichen wird offengelegt) und zugleich verschmolzen. Nur im Bild kann es gelingen, den König als solchen wirklich kenntlich zu machen.

Während das Porträt des (französischen) Königs als Wiedergabe absolutistischer Staatshoheit eine Kongruenz zwischen sozialer Ordnung und Darstellungsmodus vorträgt, lässt sich bei Bildern mit «demokratischem Programm» eine Diskrepanz zwischen dem Modell der Herrschaft und dem Bild der Herrschaft feststellen. Die Macht des Volkes braucht eine andere Repräsentationsweise, die das Bewusstsein der Kontingenz politischer Macht reflektiert. Jacques-Louis Davids Darstellung des ermordeten Jean-Paul Marat wird hierfür exemplarisch vorgestellt: ein Moment der Krise, des Kollapses, als Indikator historisch relativer Bedingungen der Machtkonstitution. Die Leere der oberen Bildhälfte gibt paradigmatisch Raum für die prozessualen Repräsentationsverhandlungen von «Demokratie».

<<  Ausgabe 02 | Seite 10  >>