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Es ist dasselbe Missverständnis, das den lebendigen Körper, den Träger einer Wahrnehmungswelt, als biologisches oder soziologisches Objekt im Horizont dieser Wahrnehmungswelt selbst zu begreifen versucht. Und nochmals dasselbe Missverständnis, dass den non-subjektiven Träger des geschichtlichen Prozesses in der Maske einer Institution und ihrer Macht inkarniert sehen will, die dadurch nicht entlarvt, sondern allererst konstituiert wird.

Der Träger ist kein Phänomen in einem wie immer bestimmten Horizont perspektivischer Bildlichkeit und Objektivität, sondern das in der Konstitution eines solchen Horizonts jeweils erloschene Element seiner Produktion. Er gehört keiner phänomenalen Realität an, die schon die imaginativen Synthesen, die das Bewusstsein tragen und begrenzen, durchlaufen hat. Sofern ein Bildträger sich in materieller Gerinnung und Qualifizierung zeigt, sofern er, wie in der selbstreflexiven Bewegung der modernen Kunst in den Gesichtskreis des Bildscheins tritt – ein Moment, der von Cézannes blancs bis zu den sandgestrahlten Wänden der Galleria Toselli in Michael Ashers Installation reicht – ist er schon in Bild, in Erscheinung übersetzt. Das Kleid der Sichtbarkeit ist schon wieder gefallen und hüllt ihn ein. Als Träger kann dieses Stück erscheinende Realität daher nur markiert sein, indem es im Riss und am Rand einer anders bestimmten Sichtbarkeit sich zeigt. So geben die blancs Cézannes ebenso ihr Licht an den Landschaftsraum ab, wie sie dessen amotivische Verletzungen sind; so exponieren die nackten Galeriewände sich ebenso in ihrer Farbigkeit und Präsenz als Erzählung von der Geschichte des materiellen Körpers der Galerie, wie sie der Index der Subtraktion und Abwesenheit des üblichen weißen Anstrichs sind.

Diese Oszillation oder, mit Heideggers Worten, dieser Streit von Lichtung und Verbergung ist das Geschehen immanenter Bildkritik. Immer hat die Übersetzung des Trägers ins Bild schon stattgefunden. Das selbstkritische Bild aber schließt sich nicht im Produkt der Übersetzung, dem Schein der konstituierten Realität ein, auf die es repräsentational oder plastisch-transformierend bezogen wäre. Es ist als Dispositiv bestimmt, das das Faktum, das Gewesensein des Übersetzungsgeschehens in je eigener Weise ‹erinnert›. Es hält seine Bildfunktion – den Bezirk des synthetisch gebändigten, auf die Instanz eines Ich oder das Wir einer Kommunikationsgemeinschaft bezogenen Innenraums – auf das Außen, dessen Übersetzungsprodukt und Abblendung dieser Innenraum und seine Formen sind, durchlässig. Die Wahrheitsfähigkeit des Bildes liegt in dieser Krise, dem Übersetzungsgeschehen zwischen Bild und Träger, das seine Geschichte ausmacht und ausmachen wird. 

<<  Ausgabe 02 | Seite 207