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Dieses Modellverständnis lässt sich an anderen Bildern und Textstellen von Vasari weiter differenzieren, bei denen das Wechselspiel von Bild und Modell thematisiert wird. [42]  Immer wieder und auf verschiedene Weisen bringt Vasari in diesen bildlichen und schriftlichen Zeugnissen die vorderhand paradoxe Auffassung zum Ausdruck, dass Modelle eben dadurch zu charakterisieren sind, dass sie dazu neigen, ihre Identität als Modelle zu verlieren. Insbesondere in den Gemälden dient das Wechselspiel zwischen Bild und Modell zur Evokation dieser Charakterisierung, weshalb es als eines der Leitmotive Vasaris in der Auseinandersetzung mit dem Modell verstanden werden kann. Nicht vermittels einer klaren Abgrenzung, sondern, genau im Gegenteil, durch die auf verschiedene Arten und Weisen vollzogene Verschmelzung von Bild und Modell gelingt ihm eine treffende Charakterisierung der Bedeutung und Rolle der Modelle im Denken und Handeln. Wie die hier exemplarisch angeführten Bemerkungen Schrödingers, Canguilhems und Rheinbergers zeigen, kann ein solches Verständnis auch für wissenschaftliche Modelle des 20. Jahrhunderts fruchtbare Anstösse liefern.

 

Reinhard Wendler, geb. 1972, Studium der Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Philosophie in Berlin und Venedig, wiss. Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität zu Berlin und Postdoc an der Technischen Universität Berlin sowie am Nationalen Forschungsschwerpunkt Bildkritik Eikones in Basel, anschliessend Dozent für Bildtheorie und Kommunikation an der Hochschule der Künste in Bern. Derzeit Gastprofessor am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Die aktiven Rollen der Modelle in Künsten und Wissenschaften, Geschichte der Materialität und Medialität künstlerischer und wissenschaftlicher Modelle, Visuelle Kompetenzen. Publikationen: Das Modell zwischen Kunst und Wissenschaft, erscheint bei Fink 2011; The Active Role of Models (Hg.), erscheint bei de Gruyter 2012.

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