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Die Fortifikation erforderte die Kenntnis der Angriffs- und Verteidigungsstrategien, um mit dem Festungsbau auf akute und zukünftige Bedrohungen zu reagieren: eben entsprechend den Gefahrensituationen vorzubauen. Der Festungsbaumeister Daniel Specklin beklagte in seiner Architectvra von Vestungen von 1589 bzw. 1608 wie andere Autoren auch: «Es geschieht aber sehr selten/ das Kriegsübung vnnd Bawmeisterey sich beisammen sindt/ dann die Kriegsleut sich ihrer arbeit beladen/ Bawmeister aber ihrem Cirkel vnnd Werck außwarten/ ...» [1] Specklin forderte, dass sich ein Festungsbaumeister in militärischen Dingen auskennen muss und den Dienstgrad eines Obristen oder Hauptmanns haben sollte.

Vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Bildungsstandes von Bauherren, Bauleuten und Militärs erkannte Specklin die Bedeutung anschaulicher Planunterlagen – vor allem der Modelle im verkleinerten Massstab. Im zweiten Kapitel Vom Circkel vnd seiner Theylung (so viel zum gebäw gehörig) vom Quadranten/ Grundlegung/ Visierungen vnd Modellen [2] erläuterte er die Funktion von Grundriss, Aufriss und perspektivischen Darstellungen. Specklin war sich des erforderlichen Abstraktionsvermögens beim Lesen solcher Pläne und Modelle bewusst. Die räumliche Vorstellungsgabe war in den Beratungen zwingend notwendig, letztlich um die Funktionsfähigkeit der Anlagen zu bestimmen. Mangelte es an Vorstellungskraft, empfahl Specklin Holzmodelle anzufertigen: «Weil aber etwann Potentaten vnd andere Herren/ sich nicht allwege˜ auß den grundrissen/ noch auffgerißenen Perspectiuen berichten können/ So will im Bawen ein hohe notturfft sein/ das man solches von Holtzwerck auffrichte/ da dann alle grösse höhe/ breite/ dicke/ böschungen an Bolwercken/ Wähl/ Mauren/ Streiche˜/ Brustwehren/ Gräben/ Läuffen/ vnd alles nach dem junge˜ Maßstab/ auffzogen/ vnd für augen gestelt werden kan/ wie es gebawen werden soll/ darnach man sich zu richten:.» [3] Specklin leitete den fachkundigen Leser an, wie er aus Lindenholz den «oberen Boden», d. h. den Grundriss auf Horizontniveau, ausschneiden soll, um ihn dann auf den «unteren Boden», den Grundriss in Höhe der Grabensohle, aufzuleimen. Zur besseren Lesbarkeit empfahl er eine Farbfassung für Gräben und Wälle, Gassen, Plätze und Gebäude; eine sinnvolle Kodierung, die über Generationen hinweg bis heute verstanden wird. Warum gab es ein über die Aspekte der Zivilbaukunst hinausreichendes spezifisches Interesse daran, die Räumlichkeit der Festungsbauwerke zu verstehen? Die Gestaltung war nicht beliebig verhandelbar. Die Formen folgten keinen subjektiv-ästhetischen Erlebnis- und Interpretionsbedürfnissen, sondern konkreten Funktionsanforderungen der Flankierung und Bestreichung.

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