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Waren solche Manieren flexibel, anschlussfähig und als modellhafte Leitfortifikationen geeignet, wurden sie, wie die Manieren Specklins oder die Manieren Freitags, von Fortifikationstheoretikern in mustergültige Systemvorstellungen umgewandelt, wissenschaftsgeschichtlich integriert und tradiert.

Dass diese theoriefähigen Modellvorstellungen von Manier und System zu Beginn des 17. Jahrhunderts sich als entscheidender Qualitätssprung zur empirischen Fortifikation des 16. Jahrhunderts darstellten, zeigt sich daran, dass beispielsweise Walter Ryff den Begriff Manier noch gänzlich anders gebrauchte: Durch die Bindung der Idee an den Prozess verstand Ryff die Manier als ‹Handhabung›, als konkrete Arbeitsanweisung, die auf bestimmte situative Gegebenheiten reagierte. Erst um 1600 verlagerte sich das ‹Modellhafte› vom vorbildlichen Handeln auf eine vorbildliche ‹Art und Weise›, die meist in Axiomen und Maximen zusammengefasst wurden. Diese Strategie, aus theoretischen Modellvorstellungen in der Praxis spezifische Formen abzuleiten, führte dazu, dass der Begriff Manier unterschiedlich als regionaler Stil, als individuelle Handschrift oder ortsspezifische Lösung verstanden wurde.

Das zweite Drittel des 17. Jahrhunderts war geprägt von der Suche nach neuen Manieren im gültigen System. Dass diese einmütige Fokussierung auf das System Freitags überhaupt funktionierte, lag daran, dass sich auch die Angriffstechniken und –technologien einer festen Form verpflichtet sahen: Im 17. Jahrhundert galt die so genannte Formal-Attacke als erfolgreichste Methode der Belagerung. Nach festen Regeln gruben sich die Angreifer auf die Festung zu. Die Laufgräben, Schutzbauten und Batterien wurden ebenso planmässig angelegt wie eine Festung, weshalb Feldbefestigungen als Teil der Architectura Militaris und Arbeitsaufgabe der Ingenieure verstanden wurden.

Ziel der Belagerer war die Eroberung der Kontereskarpe mit dem Bedeckten Weg, der anschliessende Grabenübergang und die Sprengung eines Bollwerkes, um durch die Bresche in die Festung zu gelangen. Aufgabe der Festung war es, diesen Prozess möglichst in die Länge zu ziehen, da eine Formal-Attacke auf Dauer immer zum Erfolg führte. Der Festungskrieg war ein militärisch-ökonomisches Rechenspiel, und die Zeit war letztlich der kriegsentscheidende Faktor. Je länger sich die Belagerten verteidigten, um so mehr musste sich der Angreifer finanziell anstrengen. War er in der Lage, Mensch und Material über lange Zeit zu unterhalten, stand einer Eroberung nichts im Wege.

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