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Zur Funktion von Bildern im Vitalismusstreit um 1900

Around 1900, liquid crystals have been employed as models for a mechanistic interpretation of biological phenomena. To convey their plausibility, the physicist Otto Lehmann used different modes of visualisation. The images thus produced were embedded in a web of cross-references that linked images, text and three-dimensional objects to make the crystals appear life-like and, at the same time, constitute them as models. While Lehmann made efforts to stress that the crystals were only 'as if' alive, others, like the zoologist Ernst Haeckel, were persuaded by the liveliness of their visual representations and considered liquid crystals to be alive in their own right. However, it was not the images alone that led Haeckel to his assumption but an alternative web of references that placed the objects in the context of monistic philosophy.

Anfang des 20. Jahrhunderts rückte ein eigentümliches Modell ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Biologen: der Kristall. Zwar wurden Kristalle bereits seit dem 18. Jahrhundert immer wieder als Analogien zu Lebewesen betrachtet und untersucht, doch ihre starre und regelmässige geometrische Form setzte diesen Vergleichen eine deutliche Grenze. Mit der Entdeckung der sogenannten flüssigen Kristalle durch den Physiker Otto Lehmann ergab sich nun eine neue Möglichkeit, im Bereich des Anorganischen Phänomene zu finden, die auf verblüffende Weise jenen im Bereich des Lebendigen ähnelten. Lehmanns flüssige Kristalle wurden als Modelle verwendet, die spezifische Lebenserscheinungen wie Wachstum, Teilung oder Regeneration auf eine mechanistische Weise erklärbar machen sollten. [1]

Die neuere Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsforschung hat gezeigt, dass Modelle eine Vielzahl von Funktionen erfüllen können: Sie können als Werkzeuge für den Forschungsprozess dienen, Archive zur Speicherung von Erkenntnissen sein, aber auch Daten generieren oder Wissen vermitteln. Im Folgenden soll die Rolle von Modellen als Argumente im Vordergrund stehen. [2]  Als Argumente dienen Modelle, wenn sie zur Begründung eines Geltungsanspruchs herangezogen werden. Das geschieht zumeist im Kontext von Kontroversen, wenn empirische Behauptungen oder methodologische Selbstverständlichkeiten problematisch werden. Um 1900 war es die Legitimität eines reduktionistischen und mechanistischen Forschungsansatzes, der in der Biologie im Deutschen Sprachraum strittig geworden war.

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