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Brief von Haeckel an Lehmann, Jena, 2.7.1918, KIT Archiv Karlsruhe 27059/1.

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Ernst Haeckel, Kristallseelen. Studien über das anorganische Leben, Leipzig 1917, S. 23–38.

 

Vielmehr möchte ich mich zum Abschluss einem Phänomen zuwenden, welches das Verhältnis von Bild und Modell nochmals verkompliziert: nämlich die ‹Fehlinterpretation› der Bilder. Denn was wäre, wenn man vom Bild nicht mehr zum Modell zurückfände? Wenn der Lebendigkeitseffekt dermassen überzeugend wäre, dass man die Kristalle für wirklich lebendig hielte?

Am vehementesten in diese Richtung sprach sich der Zoologe, Wissenschaftsvermittler und Begründer des Monismus Ernst Haeckel aus. Für ihn hatten Kristalle schon länger eine wichtige Rolle als phylogenetische wie ontologische Mittelglieder zwischen dem Leblosen und dem Lebendigen gespielt. [31]  Demensprechend enthusiastisch nahm er die Entdeckung flüssiger Kristalle auf. Er korrespondierte mit Lehmann und lobte besonders die Abbildungen und Fotografien in dessen Werken. [32] In seinem 1917 unter dem Titel Kristallseelen. Studien über das anorganische Leben erschienenen Buch ging er ausführlich auf die Entdeckungen des Physikers ein und folgerte aus den sichtbaren Eigenschaften flüssiger Kristalle wie Wachstum, Ernährung, Bewegungen u.ä., dass sie tatsächlich als lebendig zu bezeichnen seien. [33]

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