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Mit dem Begriff des «Als Ob» beschrieb dieser die wissenschaftliche Praxis als Vorgehen, das sich nicht von der Wahrheit oder Falschheit von Hypothesen leiten lässt, sondern stattdessen von der Nützlichkeit von Fiktionen, also von «bewußtfalschen Vorstellungen», die in sich widersprüchlich sind, dennoch aber gelingende Handlungen ermöglichen. [11] Lehmann bediente sich dieser erkenntnistheoretischen Prämisse. Er wollte seine Analogien explizit als «Gleichnisse» verstanden wissen. [12] Damit modalisierte er die Behauptungen über die Lebensähnlichkeit der Kristalle. Die Geltung dieser Aussagen wurde durch die Verwendung bestimmter sprachlicher Stilmittel qualifiziert, so etwa durch die Voranstellung des Adjektivs ‹scheinbar›, wenn es um ‹lebende› Kristalle ging, oder durch ironische Formulierungen und Gedankenexperimente. Damit der Kristall als Modell und damit als Argument für den mechanistischen Ansatz in der Biologie fungieren konnte, musste die Analogie zwischen Kristall und Lebewesen auf einer fiktionalen Übertragung ähnlicher Eigenschaften beruhen und durfte keineswegs eine ontologische Identität suggerieren. Der Kristall musste zwar lebendig wirken, aber dennoch mechanisch – also in Begriffen der Chemie und Physik – erklärbar sein: «Die dargelegten Analogien der scheinbar lebenden Kristalle zu Erscheinungen im Reich der wirklichen Lebewesen sind eine völlig neue Art solcher Analogien.» [13]

Um den flüssigen Kristallen diesen Modellcharakter zu verleihen, setzte Lehmann vor allem zwei Mittel ein: Erstens bediente er sich spezifischer medialer Formen der Darstellung, und zweitens mobilisierte er bestimmte Bedeutungsfelder. Erstes beruhte auf Technologien der Visualisierung, die dazu dienten, die Lebensähnlichkeit von Kristallen vor Augen zu stellen und evident zu machen. Zweites verwies auf den Bereich der zeitgenössischen Kultur, in dem die Bedeutung von ‹mechanisch› und ‹Mechanik› sowie der Status und der Wert von Technik überhaupt zur Disposition standen. Beide Ebenen waren miteinander verschränkt: Die Technologien der Visualisierung fungierten selbst als Bedeutungsträger, die dazu beitrugen, die  Kristalle als ‹scheinbar lebendig› und gleichzeitig als mechanistische Modelle des Lebendigen zu konstituieren.

 

Visualisierung der Modelle

Lehmann bediente sich dreier Medien, um die flüssigen Kristalle als Modelle in Szene zu setzen: Publikationen, Ausstellungen und Filme. Alle waren durch ein spezifisches Bild-Text-Verhältnis charakterisiert, und alle drei verwiesen auf vielfältige Weise aufeinander. Durch diese engen Verweisnetze versuchte Lehmann die Interpretation der Phänomene vorzugeben und zu steuern.

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