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[29]

Eine Vielzahl derartiger Beispiele bei Maguire, Icons (wie Anm. 26).

[30]

Johannes Dominicus Mansi, Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio, Bd.XVI, Florenz 1771, S. 400.

[31]

Abb. bei Maguire, Icon (Anm. 26), Abb. 5.

 

Die Heiligen selbst sitzen Modell, so wie das einmal verfasste Bild zum Modell ihres Abbildes avancieren kann. Andererseits wird von spirituellen Begegnungen mit Heiligen Zeugnis abgelegt, in denen die Protagonisten einzig den Heiligen erkennen konnten, weil sie durch entsprechende Ikonen auf seine Erscheinungsform eingestellt waren. Die Rede ist allerdings von prominenten Heiligen. [29]

Eine weitere Einschränkung betrifft die weiblichen Heiligen, die deutlich schematischer dargestellt werden – ihnen mangelt es ja in der Regel freilich an Bärten ebenso wie an potentiellen Stirnglatzen. Neben den Beischriften, die unter anderem auch Eindeutigkeit regeln, sind es bisweilen Attribute, die hier kompensatorisch eingesetzt werden. So äussert auch der Patriarch Photios noch in einem 869/70 in Konstantinopel abgehaltenen Konzil, das Bild Christi sei zu verehren, damit man am Ende aller Tage nicht Gefahr laufe, Christus nicht erkennen zu können. [30]

Dieses bildtheologisch fundierte Regulativ von Heiligenbildnissen ist nach dem Bilderstreit für eine Vielzahl von Heiligen eingehalten worden. Die Ikonen der Heiligen sind nicht wundersame Erfindungen künstlerischer Kreativität, sondern sie sind stets immer als Abbilder der realen Personen verstanden worden. Von diesem Regulativ ist nicht die unterschiedlichen Konjunkturen unterworfene stilistische Erscheinungsform betroffen, so dass die Bilder ästhetisch durchaus divergieren. Formale Distinktionen zwischen Kopfformen, Haartrachten wie auch insbesondere Bartarten sorgen für eine konstante Kennzeichnung einzelner Heiliger. Über lange Zeiträume bleiben derartige Charakterisierungen von Gesichtszügen konstant. Die Heiligen definieren sich demnach nicht so sehr wie im Westen über ihre Attribute, sondern vielmehr über physiologisch überprüfbare Zeichen. Diese waren so verfasst, dass sie eine im besten Sinne glaubwürdige Person im Bild offerierten.Ganz in diesem Sinne wird etwa in einer Handschrift der Sacra Parallela des Johannes Damaskenos, Paris, BN, gr. 923, fol. 347 r, einem der Bildertheoretiker des Bilderstreits, eine Miniatur beigeben, in der das Kopieren einer Ikone thematisiert ist. [31] Dieses Kopierverfahren sicherte die Identität des Dargestellten. Das Kopieren vollzog sich dabei nicht allein von einem zum anderen Objekt, sondern in Malerwerkstätten zumal über die jeweiligen Musterbücher oder Musterblätter, die diese Art der Reproduktion garantierten. Sie enthalten Erinnerungen an Wahrgenommenes, sie bieten zugleich Vorstufen für neue Entwürfe, die jedoch nicht die tradierten Modelle gänzlich überwerfen. [32] Dieser zeichnerische Transfer ist als Teil der Arbeitspraxis ebenso selten überliefert wie die oben thematisierten Architekturzeichnungen. Dass sie jedoch auch im Rahmen der Vorgaben innovative Stilkonzepte transportierten, lässt sich an den wenigen überlieferten Exemplaren eindeutig ablesen.

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