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Marinković, Slika (Anm. 13).

 

Eine derartige Anpassung ist bei dem Stadtmodell von Kaiser Konstantin nicht zu verifizieren. Das Modell der Hagia Sophia zielt an keiner Stelle darauf ab, den Baumaterialien ein visuelles Äquivalent zu verschaffen. Vielmehr handelt es sich um eine dezidiert auf Bildlichkeit angelegte Mikroarchitektur, die ihren Anspruch auf Identifikation nur soweit als notwendig formuliert. Eben dieses Changieren zwischen einem Erinnerungsanspruch an den Gründer und einem in dem visuellen Kontext aufgehenden Modell kann als das Signum dieser Art von Stiftermodell erkannt werden. Das Modell der Hagia Sophia nimmt innerhalb des Mosaiks in gewisser Weise einen prekären Status ein.Während beide Kaiser nur noch imaginiert werden können und die Abbreviatur der Stadt per se als Topos rangiert, referiert das Kirchenmodell auf eine zumindest überprüfbare Realität, den Bau, in dem es sich befindet. Inwieweit aus eben diesem Status generell ein Gewinn für andere im Sakralraum zu findende Bilder (z.B. die Darstellung heiliger Personen) resultiert, wird später noch zu überdenken sein.

Das auf das Medium, Mosaik oder in anderen Fällen Wandmalerei, zugeschnittene Modell kann dennoch nicht völlig von der Frage nach dem Entwurfsprozess der Architektur abgelöst werden. Denn letztlich geht es um eine grundsätzliche Übersetzungsleistung von der Mikro- in die Makroarchitektur oder vice versa. Sehen wir von konstruktiven, auf die Tektonik, auf Einzelprobleme zielenden Zeichnungen ab, so ist das dem Bauherrn gegenüber offerierte Modell auch darauf angelegt, einen spezifischen ästhetischen Eindruck zu kommunizieren. Proportionen können ebenso eine Rolle spielen wie vor allem substantielle, von einer tradierten, geläufigen Architektur, z.B. einem Kirchenbau, abweichende Innovationen, die durch ein Modell suggestiv transportiert sein wollen. Diese Art von einem durch klare Akzente hervorstechendem Präsentationsmodell dürfte unserem visuellen Gegenpart durchaus entsprechen. Das Augenmerk des Auftraggebers gilt gerade diesen nicht gewohnten Eigenheiten. Die zuletzt vorgeschlagene Definition als «Bild der vollendeten Kirche» [16] spiegelt zwar den Entstehungsprozess des Bildes  –  der Bau ist vollendet –, der Modellcharakter des Bildes wird damit aber zu Unrecht verworfen. Für den Status des Bildes ist die Entstehung nach dem Original oder als Imagination einer zu bauenden Realität zwar im Ausgangspunkt divergent, konzeptionell jedoch, was die Umsetzung in die Mikroarchitektur anbelangt, auf einer ersten Ebene sekundär. Reflektiert das gemalte Modell allerdings ein zuvor dreidimensional gefertigtes Planungs- oder Repräsentationsmodell mit Hilfe dessen ein Sakralbau für die Zukunft simuliert wird, so wären wir mit einer doppelten Übersetzungsleistung konfrontiert, anders gesagt, wäre in unserem Modell eine komplexe Vergangenheit aufgehoben.

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