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Hier soll es nun um im Labor hergestellte Visualisierungen des sogenannten Motaba-Virus in Wolfgang Petersens Film Outbreak gehen, die durch ihr Changieren zwischen Bildhaftigkeit und Modellhaftigkeit ein Potenzial entfalten, durch das sie einer Reartikulation zugängig werden. Die Visualisierung wird in ihrem Schwanken zwischen Bild und Modell zum Fixpunkt des ambivalenten Verhaltens des Protagonisten, der das Virus einmal als Feind, einmal als Vorbild betrachtet. Das Virus und das ihm angeschlossene Diskursfeld der Ansteckung gehören zu den erfolgreichsten phantasmatischen Figuren der letzten Jahre. Die Ambivalenz der Metaphern aus diesem Feld wurde in Studien zu ganz unterschiedlichen Gegenstandsbereichen betont: zur Kommunikation durch Gerüchte [3], zum Bioterror [4], zu Verweissystemen in der Literatur [5], zur zeitgenössischen Konzeptkunst [6] und vieles mehr. Die Studien geben Aufschluss darüber, wie aus einem biologischen und medizinischen Problem eine Schlüsselmetapher in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens werden konnte. Wie kaum ein anderer Begriff ist der des Virus dank der Funktionsweise biologischer Viren auch zum Agenten von Ambivalenz geworden. Da es sich mit Hilfe von Zellen des Wirtssystems fortpflanzt und dabei lediglich Informationen in die Zentren der körperlichen Reproduktion einschleust, ist die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremdem im Falle des Virus schwer zu treffen. Je nachdem, ob ein biologisches System gesund oder krank ist, kann das Virus die Rolle des Zerstörers, aber auch die des Retters spielen. [7] Infolge dieser Charakterisierung wurde es schliesslich auch zur Metapher für Subversion gegenüber einem unterdrückerischen System, das bereits ‹krank› ist. Ähnlich ambivalent gestaltet sich die Situation im Film Outbreak: zum einen muss das Motaba-Virus daran gehindert werden, seine tödliche Information in die Körperzellen des Wirts einzuschleusen; zum anderen ist es die durch den Filmhelden Major Daniels nach dem Vorbild des Virus verbreitete subversive Botschaft, die schliesslich das Militär und das Virus zu Fall bringt.

Im ersten Abschnitt werden wir zunächst näher auf die Bedeutung des Films für soziologische und kulturwissenschaftliche Analysen im Allgemeinen und unseren Beitrag im Besonderen eingehen. Darauf folgt eine Thematisierung der bereits angesprochenen Formen des Changierens zwischen Bildhaftigkeit und Modellhaftigkeit für den Fall der Visualisierung von Kleinstorganismen wie Viren und Bakterien. Im dritten Abschnitt nehmen wir eine Analyse einer Laborszene aus dem Film Outbreak vor und interpretieren die Rolle der Visualisierungen des Motaba-Virus für die Filmhandlung. Abgerundet wird der Text durch eine Einordnung des weiteren Verlaufs der Filmhandlung und ihrer Bedeutung für die Sozialtheorie sowie einem Fazit.

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