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Die Streuung von das System unterminierender Information durch die systemeigenen Kanäle ist ein Prinzip, das nicht zuletzt soziale Netzwerke wie Facebook oder Wikileaks nutzen, um eine möglichst hohe Effektivität von Inhalten zu erreichen. Dabei sind (populär)wissenschaftliche Visualisierungen von Viren zum Symbol des Prinzips der viralen Verbreitung geworden. Wie lässt sich die Bedeutung der Visualisierungen erklären? Dazu möchten wir in den nächsten Abschnitten Stellung beziehen.

Das Changieren zwischen Bild und Modell im Falle von Visualisierungen von Kleinstorganismen

Eine trennscharfe konzeptuelle Unterscheidung von Bild und Modell gestaltet sich äusserst schwierig – zumal wenn sie zweidimensional auf Papier oder Bildschirm vorliegen, wenn das Haptische also nicht im Vordergrund steht. In wissenschaftlich hergestellten Visualisierungen von Kleinstorganismen und biologischen Phänomenen, wie sie hier im Rahmen des Films Outbreak thematisiert werden, fallen Bild und Modell zudem häufig zusammen. Zunächst muss, um Erkenntnisse über phänotypische Eigenschaften und Entwicklungen zu generieren, ein Modellorganismus experimentell zugerichtet werden. [20] Um diesen Modellfall des zu untersuchenden Kleinstorganismus entsprechend der Fragestellung sowie in angemessener Grösse und Auflösung zu visualisieren, werden wiederum technisch anspruchsvolle Verfahren angewendet. Die Verbildlichung – im Sinne einer der Untersuchung adäquaten Visualisierung – gelingt nur, wenn bestimmte Eigenschaften des zu visualisierenden Objekts hervorgehoben (selektiert) und parametrisiert (mathematisiert) werden, um Kontraste zu erzeugen, die dann optisch umgesetzt werden können.

Für den Soziologen Michael Lynch sind Selektion und Mathematisierung die hervorragenden Kennzeichen des Sichtbarmachens in der Wissenschaft. Selektion bezieht sich dabei auf die Schematisierung und Vereinfachung des zu visualisierenden Objekts, während Mathematisierung Strukturierung und Ordnung desselben beschreibt. Lynch zufolge ist dank dieser Transformationen immer die Visualisierung sowie ihre Produktion und nicht das Bezugsobjekt zu analysieren: die visuelle Verweisung muss als modellierende Praxis verstanden werden. [21] Die Visualisierung erhält eine ihr eigene Qualität, indem sie eine neue Perspektive gewährt: «From a […] sociological point of view there is no such thing as comparing a molecular model to the 'real' thing, since it is through the model itself, or through other forms of representational work, that a molecular structure becomes coherently visible.» [22]

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