Jedoch ist nicht nur der Prozess der Sichtbarmachung im Labor für die Emanzipierung der Visualisierung von ihrem Bezugsobjekt entscheidend. Um einen Modellorganismus zum Stellvertreter aller Exemplare seiner Spezies und sein Bild zu einem Modell zu machen, bedarf es einer Validierung durch die Betrachterin. Visualisierungen können einerseits Modelle sein, anhand derer ein Organismus studiert und greifbar gemacht werden kann. Andererseits können diese Visualisierungen insofern Modell eines Organismus sein, als sich zukünftig jedes Exemplar des gleichen Organismus an diesem Idealbild messen muss und mithin auch dessen Kategorisierung als normal oder abweichend von diesem Vergleich abhängt.
Dem visuellen Artefakt ist bereits ein ambivalentes Potential eingeschrieben, dank dessen es potentiell Bild oder Modell sein kann. Sowohl der Visualisierung selbst, als auch der Bezeichnung durch den Betrachter und Nutzer der Visualisierung ist demnach ein Anteil an der situativen Bild- beziehungsweise Modellhaftigkeit der Visualisierung einzuräumen. Wird die Visualisierung des Organismus als Modell charakterisiert, so wird gleichzeitig die Verbindung zu diesem einen Modellorganismus gekappt, der ursprünglich sichtbar gemacht wurde. «A model only becomes fertile by its own impoverishment. It must lose some of its own specific singularity to enter with the corresponding object into a new generalization.» [23]
Mr. Motaba in Outbreak – Schrecken und Faszination, Feindbild und Vorbild
Das Changieren zwischen Bildhaftigkeit und Modellhaftigkeit sowie die temporäre Stillstellung desselben möchten wir im Folgenden an einem Beispiel aus der Traumfabrik Hollywood thematisieren. Wolfgang Petersens Film Outbreak handelt vom Ausbruch eines hämorrhagischen Fiebers in einer US-amerikanischen Kleinstadt. Das Virus stammt, wie meist in derartigen Filmen, ursprünglich aus Afrika und kommt über einen illegal eingeschleppten Affen in die USA. Erkannt wird die Gefahr von einem Bakteriologen namens Colonel Daniels, der mit seinem Team kurz zuvor in Zaire war, um einen Motaba-Ausbruch zu untersuchen. Zwar erschien der Ausbruch der Infektion aufgrund der Abgeschiedenheit des Dorfes und der hohen Sterberate der Bewohner zunächst als eingedämmt. Doch Colonel Daniels beschliesst aufgrund eines Bauchgefühls der Sache nachzugehen und das Virus möglichst genau darzustellen.