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Schuler: Was willst du tun? Es zum Essen einladen?

Daniels: Nein.

Schuler: Was dann?

Daniels: Es töten!

Die Mikroskopieaufnahmen werden hier als Fakten deklariert, da sie die Zerstörungskraft des Virus visuell belegen. Zusätzliche Evidenz wird ihnen durch die vielfältigen und vermeintlich objektiven Verfahren zur Visualisierung und Charakterisierung des Virus zuteil: es wurde isoliert, um Antikörper zu testen; es wurde auf gesunde Leberzellen angesetzt, um seine Zerstörungskraft sichtbar zu machen; Versuchstiere wurden mit dem Virus infiziert, um ihm einen Lebensraum zu schaffen; und schliesslich haben Daniels und sein Team versucht, die Erbinformation des Virus darzustellen.

Damit ist die Virenkultur bereits als Modellorganismus und Stellvertreter der Spezies Motaba anerkannt. Trotzdem zweifelt Schuler die Fakten an, lässt sich aber nach der Validierung der Bilder durch den Experimentator überzeugen. Die Visualisierung wird zum Modell, da der Modellorganismus selbst mit blossem Auge nicht gesehen werden kann. Salt schliesst diese Transformation mit der Anthropomorphisierung des Visualisierten in Form einer Vorstellung des Modellorganismus als Mr. Motaba symbolisch ab – vom Regisseur visuell unterstützt durch die Vergrösserung des Bildschirminhalts auf die volle Leinwandgrösse. Der Bildschirm zeigt hier nicht mehr die von den Viren befallene Kultur von Nierenzellen, sondern ein individuelles Virus in millionenfacher Vergrösserung: Mr. Motaba.

Daniels, der im Gegensatz zu Schuler bis dahin wortlos auf den Bildschirm gestarrt hatte, ist deutlich erkennbar zugleich beängstigt und fasziniert, als er seinem Feind Auge in Auge gegenübersteht. [26] Er kontert Schulers Abneigung gegenüber dem Virus mit einem Verweis auf dessen faszinierende Schlichtheit und macht doch sehr deutlich, dass er das Virus töten will. Die Visualisierung wird zum Anknüpfungspunkt für die Einschreibung der perfekt funktionierenden Tötungsmaschine eines viralen Anderen in eine für den Menschen nachvollziehbare Freund-Feind-Unterscheidung. Denn das Motaba-Virus repräsentiert keinen Feind im herkömmlichen Sinne, dem man zumindest den Status eines menschlichen Akteurs zuerkennen muss, sondern einen Feind von absoluter Exteriorität.

<<  Ausgabe 02 | Seite 107  >>