Ebd.
Panofsky, Die Entwicklung der Proportionslehre als Abbild der Stilentwicklung (Anm. 8), S. 214.
Hinz, Albrecht Dürer. Vier Bücher von menschlicher Proportion (Anm. 45), S. 315.
Dürer, Vier Bücher von menschlicher Proportion (Anm. 1), fol. V2v.
Hinz, Albrecht Dürer. Vier Bücher von menschlicher Proportion (Anm. 45), S. 239.
Hinz verweist weiter darauf, dass derartige anatomische Konsequenzen der Bewegung in den Illustrationen des vierten Buchs strikt vermieden sind, wo «ausschließlich die mechanische Komponente der Bewegung zum Tragen kommt», und folgert: «Mit dieser Einschränkung bietet Buch IV ein neues, mit Bewegungsposen ausgestattetes Figurenbild, das jeweils im rechten Winkel zur Bildebene drehbar ist und dadurch überraschende Effekte bewirkt.» [67] Diese Effekte, auf die hier angespielt wird, stellen sich erst in der zeichnerischen Umsetzung durch die angewandten Mittel der perspektivischen Verkürzung, die deren anatomische Konsequenzen für die Darstellung der Figur zur Konsequenz haben, ein. Diese «abändernden Faktoren» sind es, die in der Anwendung des Modells eine freie Entfaltung in der Zeichnung entwickeln und die Bewegung als Prozess zugunsten dessen darstellen, was richtig erscheint. [68] Das Dürersche Blatt stellt die verlebendigte Frau in der zeichnerischen Umsetzung anschaulich der in einfacher Umrisslinie gegebenen arithmetisch berechneten Proportionsfigur gegenüber. Hinz verweist auch auf die Reduktion der Bewegung auf die Mechanik als einer «Folge der Erkenntnis, dass jegliche Massstäblichkeit im Moment der Bewegung verschwindet und nur durch die hier angebotene Technik gerettet werden könne». [69] Dürer selbst schreibt zu diesem Problem: «Es ist zu wissen das alle meyne for beschrybne bildnüssen so sie hin vnd wider gebogen werden nit in allen teylen in der for beschrybnen dicke vnd breyten beleyben an allen enden dann die beweglickeyt nymbt etwan einem teyl vn gibt dem andern zu / darumb verkeren sich die ding / solchs klar zu erlernen geschicht am aller basten in vil ab machens lebendiger menschen / dann da sicht man wie sich alle ding begeben / Darumb hab ein nedlicher acht das er sein werck nicht verfür.» [70] Um einen Menschen bewegt ins Bild zu setzen, ist nach Dürer Aufmerksamkeit in der Hinsicht geboten, dass die (Achs-)Linien- und Umrissmodelle wie auch das dritte Modell der Stereometrisierung, das hier nicht weiter diskutiert werden soll, genau zu studieren und in der Technik der Ausführung – und das ist hier der interessante Punkt – die Modelle in freier Weise nach der Anschauung in der Natur zu interpretieren. So lautet die entscheidende Stelle ins Hochdeutsche übertragen, dass der Künstler «nicht in allen ihren Teilen [unverändert] bei den vorgegebenen Tiefen- und Breitenmaßen bleiben [solle]; denn die Beweglichkeit nimmt gegebenenfalls dem einen Teil und gibt dem anderen zu. Darum verändert sich die Erscheinung («ding»).» [71] Der Künstler hat also die Aufgabe, das Modell des Dürerschen Buches so lange abzuändern bis es die gewünschte Beweglichkeit in der (Bild-) Erscheinung erreicht hat. Nach Dürer ist der Künstler angehalten, dies zu erkennen und zu erlernen, indem er durch das Abzeichnen vieler «lebendiger Menschen» sieht, wie sich die Bewegungsdarstellung tatsächlich verhält.