Abstraktion und Reduktion sind nicht allgemein als Eigenschaften von Modellen fassbar, jedoch mit Blick auf diese Beispiele als modellhaft zu denken, als sie Ausdruck der künstlerischen Suche in der Proportions- und Bewegungslehre nach dem richtigen Verhältnis von Proportion, Mass und Bewegung in der darzustellenden Figur sind.
Struktur- und Umrisslinien sind aus der Anschauung und Vermessung generierte Konstanten, die als schematisches Muster für die bewegte Figurdarstellung dienen. Die Entwicklung der schematischen Figur ist bestimmt durch gezielte Selektion bestimmter Faktoren im Hinblick auf die Verwendung als Modell. So kann mit Gottfried Boehm dem Begriff des Modells ergänzend die «Selektion von Eigenschaften, und damit Wahrnehmungslenkung, sowie Interpretationsspielräume» zugeordnet werden. [3] In der Anwendung des Modells in der Zeichnung werden diese Interpretationsspielräume in der «Wiedererkenntnis» [4] in Bezug auf die Variabilität des Modells und der Möglichkeit einer stetigen Abänderung des Musters als Bild der Bewegung produktiv.
Im Verständnis der Reduktion und Abstraktion als Modellhaftigkeit liegt zunächst auch die Abgrenzung zum Bild. Paradoxerweise liegt in dieser Simplizität der Modelle der Proportions- und Bewegungslehre auch der «Spielraum», der die Merkmale des Modells zur spezifischen Anschaulichkeit des Bildes entwickeln kann. Mit der Frage, wie diese simplen Beispiele als Struktur- und Umrissmodelle für die bewegte Figurdarstellung in der Zeichenlehre für Künstler und Handwerker angewandt werden können, werden hier die Effekte der Bilder anhand der Bewegungsdarstellung als einem «permanenten Übergang» von Stabilitätsvorgabe und Bewegungslatenz untersucht und daraufhin betrachtet werden, wie die visuellen und konzeptuellen Qualitäten der Linie Bewegungswahrnehmung auslösen. [5] Umgekehrt soll gefragt werden, wie die mechanische Bewegung im Darstellungsmodell selbst konstruiert wird, und warum die Bewegung auf der Grundlage der strukturellen und umrisshaften Darstellung als Eindruck der Bewegung sichtbar werden kann? In welchem Verhältnis stehen hierzu die verschiedenen Schattierungen der Abstraktion der Figurdarstellung?
Mit einer Gegenüberstellung der Begriffsverwendung der Künstler zu jener der kunsthistoriographischen Rezeption, sowie aktueller systematischer Studien werden Ersatzbegriffe für Bild und Modell anhand von Bildbeispielen der Deutschen Kunstbücher [6] diskutiert, die Gemeinsamkeiten und Differenzen dieser Konzepte aufzeigen. Für die gedruckten Ausgaben dieser Kunstbücher sind jeweils Zeichnungen erhalten, die das Suchen des Künstlers nach dem geeigneten Modell veranschaulichen.