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[22]

Panofsky, Die Entwicklung der Proportionslehre als Abbild der Stilentwicklung (wie Anm. 8), S. 216.

[24]

Albrecht Dürer bezeichnete die Biegungsstellen der Vorderansichten der Figur als «Ringlein».

 

Panofsky schrieb das Blatt, zwar mit Fragezeichen versehen, dennoch Erhart Schön zu und brachte es in Zusammenhang mit dem signierten Blatt Schöns. [22] Auch ein im Nürnberger Manuskript hinterlegter Brief von 1914 zeugt von kontroversen Debatten um die Zuschreibung des Blattes. [23] Jenseits der Diskussion um die Autorschaft, die an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden soll, ist festzustellen, dass die drei unsignierten Blätter unterschiedliche Techniken der Herstellung aufweisen. Das erste, Nr. 82, entfaltet zwölf mit Tusche gezeichnete schematische Bewegungsmotive gleichmässig auf dem Blatt in drei übereinander angeordneten Reihen (Abb. 2 linke Hälfte). Diesem Blatt folgen zwei, Nr. 83 und 84, mit dem gleichen Motiv, wobei es sich hierbei jeweils um Drucke handelt.

Im Zentrum unserer Betrachtung steht das Blatt Nr. 82 mit seinen lebendigen Bewegungsfiguren aus schwarzer Tusche, die in ihren vielfältigen Konstruktions- und Bewegungsdarstellungen die Frage nach dem Verhältnis von Bild und Modell in besonderem Masse aufwerfen, da bestimmte, der oben genannten Merkmale wie Abstraktion und Reduktion, der Selektion von Eigenschaften und dem damit verbundenen unmittelbaren Bewegungssehen der Figur sich herauskristallisieren. Wieso können hier bei einigen Figurenbeispielen Argumente sowohl für das Bild als auch für das Modell angeführt werden? Die Figuren setzen sich jeweils aus wenigen Strichen als lineare Struktur zusammen. Die Achslinien konstruieren die Figur in ihrem Grundgerüst, die Umrisslinien umschreiben diese in ihrer Kontur. In einzelnen Partien der Figuren geben sich Überlagerung und Verschneidung dieser Linienarten zu erkennen. Ist es so, dass sich im Verschneiden der verschiedenen Linienstrukturen ein gradueller Übergang von Modell und Bild ankündigt? An diesen Punkten, so die Überlegung, verknüpft die Gleichzeitigkeit der Strukturen Modell und Bild. Diese Verbindung kann anhand der Sichtbarkeit der Linienfiguren im Verhältnis zur Unsichtbarkeit der Linienlatenz erhellt werden: Inwiefern stellt hier die transparente Sichtbarkeit die Strukturdarstellung zur besseren Bewertung der Gliederlage dar und evoziert zugleich das Unsichtbare im Prozess der Bewegungsdarstellung?

Schauen wir uns die lebendigen Figuren näher an. Diese können bei näherer Betrachtung als sitzende und gestikulierende Figur, konzentriert fechtende Figur, mit einem Stock im äussersten Moment des Ausholens dargestellte oder aber laufende Figur charakterisiert werden. Die meisten der Figuren sind in ihren Darstellungen auf Gliedmasse und Gelenkpunkte reduziert, die mit einfachen Achslinien und «Ringlein» [24] wiedergegeben sind. In den Figuren der oberen Reihe wird diese abstrakte Darstellungsweise weiter mit ergänzenden Umrisskonturen des Oberkörpers ausdifferenziert, die die Binnengliederung mit Andeutungen der Brust und zentraler Brust- und Bauchmuskelstränge anzeigen.

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