>>
[13]

Ebd., S. 149.

[14]

Walter Benjamin, Das Passagen-Werk, hg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt a. M. 1983, S. 576–577.

[15]

Falk, Geschichte der Grenze (Anm. 1), S. 149.

[16]

Ebd., S. 128f. Zur Variabilität von Evidenzherstellung auch ihre Einleitung, S. 12–14.

[17]

Ebd. , S. 45.

 

Schwierigkeiten eines Versuches

Das gewählte Verfahren des Herstellens von Konstellation bezeichnet Francesca Falk als «gestische Geschichtsschreibung». [13] Paradigmatisch führt sie Walter Benjamins Diktum an über das Bild, welches dasjenige sei, «worin das Gewesene mit dem Jetzt blitzhaft zu einer Konstellation zusammentritt». [14] Die Autorin beschreibt ihre Geschichtsschreibung als Erzeugung von Bildern, die «durch ein gestisches, öffnendes Schreiben» erreicht werde, «changierend zwischen Dichte und Leere, Präsenz und Absenz». [15] Die darin angelegten Momente von Kompilation und Konstellation sind strategisch: Grenzen sind es, die die gestische Geschichte aufzeigen soll ohne sie festzuschreiben.

Der Text ist folglich nicht hermetisch verfasst, bietet keine lineare Erzählung der Techniken und Phänomene, welche Grenzen seit der Frühen Neuzeit konstituieren. Das Unterfangen ist komplex, denn die Sichtbarkeitsregime und Evidenzwirkungen von Territorialgrenzen sind keiner konsistenten Logik unterworfen. So spricht Falk angesichts einer aktuellen «Flexibilisierung, Virtualisierung und Entgrenzung der Grenze» von einer «Entbildlichung» und damit einer «Tendenz zur Grenztransparenz», gleichzeitig aber sei eine «Rückkehr zu militarisierten Mauern und bewachten Grenzbesfestigung» festzustellen. [16] Einerseits lösten sich Grenzkontrollen von Grenzlinien, weiteten sich flächendeckend aus (strategisch im Schengenraum, topografisch bedingt auf dem Mittelmeer), andererseits werden massive Sicherungsbauwerke errichtet (wie der US-Grenzzaun zu Mexiko).

Gerade letzteres Beispiel zeigt, wie auch die Überwachung solcher Grenzen mittels öffentlich einsehbarer Webcams verteilt werden kann und zwar in einem weitgehend entterritorialisierten, virtuellen Raum. An dieser Textstelle wird besonders deutlich, dass die Definitionen von Sichtbarkeit, Unsichtbarkeit, Opazität, Transparenz und Bildlichkeit untereinander und in ihren jeweiligen Verhältnissen zur Kategorie ‹Evidenz› nicht immer ganz klar sind.

Wie hängen Bilder und Grenzevidenz genau zusammen? Wie Grenz-Sichtbarkeit, Grenz-Transparenz und Grenz-Evidenz? Ist Transparenz primär als Unsichtbarkeit zu verstehen, wie die zitierte Stelle zu insinuieren scheint? Wohl nicht, wenn Grenzregime sich dadurch auszeichnen, dass sie «gewisse Aspekte sichtbar, andere aber unsichtbar machen», und dass sich dieses Verhältnis wieder verändert kann. [17] Auf welchen Ebenen agiert ‹Transparenz›, auf welchen Unsichtbarkeit? Klar ist, dass die Bedingungen für Grenzevidenz ohne Berücksichtigung konkreter Handlungsweisen (mit, wegen oder trotz einer Grenze), nicht bestimmt werden können.

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