T.H.: Die Orientierung zum Blatt ändert sich dadurch ja ganz stark. Im Sitzen schliesst das Blatt in der Horizontalen meist am Körper selbst an und erzeugt durch eine Art actio per distans am oberen Blattrand einen Horizont, der gleichzeitig die Blattgrenze beschliesst. An der Staffelei, der Wand, oder dann auch auf dem Boden ist der Körper befreiter und erzeugt auch ein anderes Gegenüber. [5] Diese Grenzen und Chiasmen von Körper und Blatt sind unheimlich wichtig. Wenn Sie erklären, dass Ihnen das Format 70 x 100 gefällt, weil sie 70 cm mit Hand und Arm umfassen können, erklärt sich dies aus einer leiblichen Disposition. Es ist der Radius des Körpers zu einem Extrempunkt der Zeichnung und somit eine konsequente Einrichtung im Dispositiv der Zeichnung selbst.
N.M.: Genau, Das Format 70 x 100 lässt dies zu. Die Beweglichkeit schafft zusätzlich eine Öffnung des Körpers. Ich arbeite zudem meistens an mehreren Zeichnungen gleichzeitig. Dazu kommen die Bücher, die ich seit 1986 mache. Es handelt sich um so genannte «Blindbände» aus Verlagen, Prototypen mit leeren Seiten, die hergestellt werden, um Papier, Umfang und Volumen eines Buches zu prüfen. In solche Bücher zeichne ich, was mich beschäftigt und inspiriert, ohne dass es, wie sonst in meiner Arbeit, übergeordnete Konzepte gibt. Die Bücher beherbergen mein persönliches Archiv, mein wechselndes Zeichenrepertoire, meine Gedankenfelder, meinen Formenvorrat, sie sind mein persönliches Gedächtnis.