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T.H.: Lassen Sie uns noch mehr über die Tempi der Hand sprechen. Die Eindrücke der Wahrnehmung können zu schnell an uns vorbeifliegen. Die Hand und das Denken sind dann zu langsam. Aber andersherum kann ja auch die Hand schneller sein. Hals über Kopf voraus sozusagen, nur eben mit dem Stift in der Hand. Dann kommt das Auge zu spät.

N.M.: Das gibt es auch. In so einem Fall ist das Reflektieren nicht so stark im Spiel. Die Zeichnung kommt aus dem Impuls, der Geste, der Bewegung bzw. aus der Logik der Zeichnung selbst. Will man zeichnend finden oder erspüren oder ein sichtbares Gegenüber zeichnend erfassen, braucht man mehr Zeit, um Sehen, Denken und um die Hand zu koordinieren. Beim «Abzeichnen» finde ich es geradezu magisch, wie das Gesehene für den Bruchteil einer Sekunde im Kopf aufbewahrt und kurz darauf durch die Bewegung der Hand übersetzt und auf dem Papier sichtbar gemacht wird. Es gibt eine wunderbare Zeichnung von Caspar David Friedrich von einem Bäumchen mit der Unterschrift: «drei Stunden». Es ist nicht eine sechzigstel Sekunde wie beim Fotoapparat. Die Unmittelbarkeit der Zeichnung ist eine grosse Stärke, die aber nicht mit Schnelligkeit verwechselt werden darf.

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