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T.H.: Musikalische und zeichnerische Rhythmik konvergieren sicherlich in der gemeinsamen agogischen Gestaltung von Form. Neben der Metrik spielt ja auch die atmende Artikulation eine wichtige Rolle. Wie Emile Benveniste gezeigt hat, steckt das ja schon in der Etymologie. [3] Rhythmus verweist nach Benveniste ursprünglich nicht auf das Fliessen oder Strömen einer Wellenbewegung, sondern ist stets verbunden mit Form, Gestaltung und Figuration – wie sich ja auch im Zeichnen stets eine bewegte Form auf dem Papier artikuliert.

N.M.: Ja, das würde ich auch so sehen. Ich habe viele Jahre intensiv im Orchester und Streichquartett Geige gespielt und auch im Chor gesungen. Atmung und Ausdruck hängen dort unmittelbar miteinander zusammen. Beim Geigen spricht man vom Bogenstrich, der durch die Bewegung von Arm und Hand gestaltet wird. Diese Erfahrungen mit der körperlichen Bewegung, mit Rhythmus bzw. der rhythmischen Geste, habe ich in die Zeichnung mitgenommen. Immer verbunden mit dem Gedanklichen, dem Sehen, der Wahrnehmung.

T.H.: Vielleicht wäre es an dieser Stelle des Gesprächs nützlich, eine analytische Differenz zwischen forma formans und forma formata, dem Zeichnen selbst als Tätigkeit, und den fertigen Zeichnungen als Bildformen im Modus der Nachträglichkeit zu ziehen. Mir scheint, dass Sie die Zeichnung als Bild sehr stark vom Zeichnen, dem immanenten Linienzug und von der zeichnerischen Geste her denken.

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