N.M.: Zeichnen ist für mich immer ein Prozess zwischen bewusstem Tun, Denken, Sehen, Kontrolle und wiederum auch dem Gegenteil, dem Sich-Entziehen, dem Laufenlassen und der Aufmerksamkeit für Zufall und Fehler, für das, was sich einstellt und was man vielleicht gar nicht wollte. Da ist ein Blatt Papier mit tausend Möglichkeiten, doch sobald man beginnt, ist eine Setzung gemacht. Jeder Strich kann eine Zeichnung in eine völlig andere Dimension kippen lassen. Das ist überraschend, und man muss darauf reagieren. So ist Zeichnen ein Prozess von Wollen und Sich-Überlassen, bewusstem Tun und Zurücktreten, mit einer feinen Aufmerksamkeit für das, was vor sich geht und gerade im Entstehen ist. Dabei lernt man das Potenzial, das in den vermeintlichen Fehlern angelegt ist, allmählich erkennen. Man lernt durch die Hand im Kopf beweglich zu bleiben und umgekehrt. Von Michel Serres stammt der Satz: «Der Sinn verdeckt, was ihm vorausgeht». Ich zeichne nicht etwas Fertigem, einem «Sinn» hinterher, sondern versuche mein Anliegen während des Zeichnens ständig zu überdenken und in Frage zu stellen, um dahinter zu kommen, hinter den Vorhang aus Gekonntem, aus fertigen Antworten, vermeintlichem Wissen, Vor-Urteilen usw.