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In der modernen Pädagogik gab es bekanntlich Bestrebungen, Zöglinge durch Praktiken des beidhändigen Zeichnens zu ganzen Menschen zu formen, wobei in der angestrebten Ganzheit auch die vorhin berührte Entzweiung relativiert werden und eine neue Form von Harmonie oder (weniger idealistisch) Effizienz erreicht werden sollte. Die zu Erziehenden sollten nicht nach links und rechts auseinander fallen, sondern ihre zwei Seiten integrieren oder optimal koordinieren. [21] Ähnliche Praktiken sind auch in der Kunst des 20. Jahrhunderts zu finden. In vielen Fällen bilden sie jedoch einen Gegendiskurs zu jenen pädagogischen Bestrebungen. VALIE EXPORT etwa, die in den frühen 1970er-Jahren beidhändig schrieb und zeichnete, wollte die zwischen links und rechts bestehende Differenz keineswegs überwinden, sondern unter wechselnden Bedingungen beobachten. Sie bezog diese Differenz und was sich an ihr zeichnend und schreibend beobachten liess einerseits auf das Verhältnis von Körper und Code, wobei sie sich früh schon überzeugt zu haben scheint, dass uncodierte, also gänzlich ‹unschuldige› Körperspuren nirgendwo zu haben sind, auch nicht im Bereich des Linkischen. Andererseits wendete sie die zwischen links und rechts erfahrene Spaltung kritisch gegen den Begriff des Individuums, sofern dieser eine monolithische, unteilbare Einheit bezeichnet. [22]

Eine vergleichbare Aufhebung des zeichnerischen Subjekts lässt sich auch in der beidhändigen Zeichenpraxis von William Anastasi beobachten. Ein Kurzfilm der britischen Künstlerin Candida Richardson [Video 2] – den wir hier bewusst der Aufnahme von Cürlis gegenüberstellen möchten – zeigt gleichwertige ‹Schaffende Hände›.

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