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Dieser Umstand bleibt nur deshalb verborgen, weil man sich in der Regel glatter, sozusagen geräuschloser Unterlagen bedient, die in den Formen der Markierungen keine Spuren hinterlassen. Der Abdruck der Unterlage in der Zeichnung bleibt zumeist ein unsichtbarer, bildloser Abdruck. Diese Beobachtungen laufen nicht darauf hinaus, dass die eingangs erwähnte Differenz von Zeichnen und Drucken grundlegend überdacht werden müsste; wohl aber wird deutlich, dass beim Zeichnen auf Blättern mehr vom Drucken im Spiel ist, als man sich gewöhnlich klar macht. Keine Zeichnung ist allein von Menschenhand gemacht, in jede mischt sich auch die Oberfläche des Bildträgers ein, in viele auch ein unsichtbares, nach dem Zeichnen entferntes Widerlager.

Doch wenn das Zeichenblatt sich einen wesentlichen Teil der zum Zeichnen nötigen Festigkeit von der Unterlage borgt, mit der es sich zeitweise verbindet, wer ist es dann, der diese provisorische Verbindung herstellt und der Unterlage selber die notwendige Stabilität verleiht? Die von uns skizzierte Zeichenszene sollte nicht zuletzt auch zu Bewusstsein bringen, wie stark und vielfältig der Körper der Zeichnerin ins Zeichnen involviert ist, ja dass es keiner allzu grossen Übertreibung bedarf, um sagen zu können: Der Körper der Zeichnerin ist beim Zeichnen auf beiden Seiten des Zeichenblattes, sowohl über wie auch unter ihm da.

Bestimmte Arten des Zeichnens setzen offenbar eine mittelbare Selbstberührung voraus. Indem die Zeichnerin den unteren Rand der Unterlage mit ihrem Körper abstützt, während sie die Oberkante mit der Hand hält, berührt sie sich beim Zeichnen selbst. Ihr Zeichnen wird stets eine durch Anderes vermittelte Selbstberührung implizieren – eine durch Anderes vermittelte Berührung auch von linker und rechter Hand. Diese Berührung, die gerade auch durch die bereits erwähnte Schwellenposition der Hand zwischen Innen und Aussen, Ordnung des Subjekts und Ordnung des Objekts gegeben ist, eröffnet die Möglichkeit eines anderen Wissens sowohl um sich Selbst als auch um Alterität. Die tastenden und zeichnenden Hände, changierend zwischen Selbst- und Weltbezug, loten Möglichkeiten des (Be-)Greifens aus. Und so beenden wir unseren gemeinsamen Denkweg zur Händigkeit der Zeichnung mit der Überlegung, dass der Zeichnung eine Zweiblättrigkeit und Ambivalenz innewohnt, die den (Zwie)Spalt stets reflektiert, eine Ambivalenz, die nicht hemmend wirkt, sondern beide (Hände) gelten lässt.

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