>>
[2]

Vgl. Gabriele Henkel (Hg.), Wilhelm Raabe. Das zeichnerische Werk, Hildesheim 2010.

[3]

Nicolas Abraham, Maria Torok, Kryptonymie, Frankfurt a. M./ Berlin 1979.

[5]

Laurence A. Rickels, Der unbetrauerbare Tod, Wien 1989.

 

Eberhard Schlotters Radierung aus dem Jahr 1990/91 [1] lässt im Inneren jener Schwärze, die den Raben definiert, drei Portraits sichtbar werden. Im Vordergrund Wilhelm Raabe, in der Mitte Arno Schmidt, in der Tiefe Eberhard Schlotter. Der Künstler blickt aus dem Tiefengrund des Raben seitwärts die Profile der beiden Dichter an, auf deren andere Profilseite unser Blick fällt. Die Poeten schauen mit dem Raben nach links, gegen die Schreibrichtung. Schlotter muss Raabes Raben genau studiert haben, denn sie sind meistens nach links, gegen den Strich, gemalt. [2] Der Rabe ist der Vogel der Krypta, [3] er ist als Aasfresser derjenige, der sich am Schlachtfeld nährt und also der Hohlkörper, [4] der die Gespenster der unbetrauerbaren Tode [5] des Krieges in sich aufgenommen hat. So ist er in Raabes Roman Odfeld, dem Schlotter einen weiteren Radierungszyklus gewidmet hat, beschrieben, und so blickt Arno Schmidt in seiner vom Krieg versehrten Literatur auf die Welt: mit wütender Verzweiflung auf das Schlachtfeld, auf die misslungene Schöpfung. Wenn Schlotter auf Schmidt/Raabe blickt, im Raben, aus dem Grund heraus, dann bildet dieses Dreiergespann der Negativität eine Zeige-Sprech-Szene, wie sie genauer im Bild nicht dargestellt werden kann. Denn hier mag man sehen wollen, soviel man will. Ohne gelesen zu haben – Raabe mit Schmidt –, führt kein Weg ins Erblickte hinein.

Ausgabe 03 | Seite 183  >>